Werbung
,

Maria Lassnig: Bodies and Affairs

Was hat die Grand Dame der österreichischen Malerei Maria Lassnig mit der Rocksängerin Tina Turner gemeinsam? Turner hat, als sie fast 60 war, ein fantastisches Solo-Comeback geschafft, bei vollem Körpereinsatz. Lassnig bald 90 Jahre alt, ist seit 60 Jahren mit ihrer Körperbewusstseinsmalerei beschäftigt und diese wird nun in London, wo sie derzeit ihre erste Soloshow in dieser Stadt in einer öffentlichen Kunstinstitution hat, als sensationell frisch und ungemein bewegend gepriesen. Immerhin kennzeichnet die Kunst der Österreicherin der unverwechselbare Drang zur humorvollen Unterhaltung trotz vielfältiger prekärer Inhalte, die ihre Malerei oft gnadenlos zeigt: Krieg, Gewalt, Liebe, Identitätsspaltung, sexueller Missbrauch sind ihre konstanten Themen. In ihren Trickfilmen, von denen eine kleine Auswahl ebenfalls gezeigt wird, tritt die Künstlerin als singende Entertainerin auf, um mit ihrem eintönigen Chorgesang körperbezogene Film-Narrationen zu begleiten. Lassnigs unverbrauchter avantgardistischer Impetus und die Lust auf Konfrontation wird schon mit dem ersten Bild der Präsentation signalisiert: Du oder Ich (2005) heißt das bekannte Gemälde, auf dem die nackte Malerin mit einer Pistole direkt ins Publikum zielt, während die zweite Hand eine Waffe gegen die eigene Schläfe richtet. Das Bild muss keinen Angriff auf die soziale Umwelt bedeuten, es kann auch als Ausdruck der Zurückhaltung der Malerin gegenüber den dargestellten eigenen, wahren, exaltierten oder narzisstischen Körpergefühlen gelten, wie Robert Storr im Katalogtext suggeriert. Antagonistische Emotionen und Formen sind auch in anderen gezeigten Gemälden, wie „Eiserne Jungfrau und Fleischige Jungfrau“, „Fotografie gegen Malerei“ zu sehen und sie pochen auf die Autonomie der Selbstbehauptung in ihrer eigenen Aussage. Schließlich geht es in der Malerei von Maria Lassnig darum, sich als eine Persönlichkeit zu konzipieren und zu produzieren und sich als solche in Szene zu setzen. All dies passiert jenseits des Feminismus, der ihr immer wieder - auch anlässlich dieser Ausstellung - nachtragend oktroyiert wird. Weit mehr als nur Ausdruck einer bedrückten allgemeinen Stimmungslage sind die Bilder, die im östlichen Seitenraum der Serpentine Galerie hängen. Sie zeigen nicht mehr junge, fette, nackte, einsame Männer in ambivalenten Posen und weniger unklaren sexuellen Handlungen. Einer von diesen imaginierten stumpfen Riesen heißt „Der Weltzertrümmerer“ (2003), die anderen hinterlistig „Don Juan d`Austria“ und „Bugbear“. Die Bilder tragen dem heutigen Männerbild erschreckend real Rechnung. Überraschend wirken auch die ganz neuen Bilder der Künstlerin. Ihre Figuren sind diesmal mit dunklen, kühlen Farben gemalt, mit Schatten umhüllt, und sie referieren in ihrer Todessehnsucht und Schönheit auf die religiös-christliche Bildtradition. Die Bilder handeln von Liebespaaren, paradiesischer Liebe und Zärtlichkeit sowie außerehelichen Verbundenen. Die Dargestellten sind oft unter einer transparenten Plastikfolie versteckt, als wären sie mit Leichensäcken umhüllt, sie erscheinen mehr tot als lebendig. Diese Arbeiten stellen etwas Besonderes dar, um nicht zu sagen, sie wirken exzentrisch in ihrer prosaisch enthobenen Dramatik, und behaupten souverän den subjektiven Ansatz der Malerin aufs Neue.

Mehr Texte von Goschka Gawlik

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Maria Lassnig
25.04 - 08.06.2008

Serpentine Gallery
W2 3XA London, Kensington Gardens
Tel: ++44-20 7402 6075, Fax: ++44-20 7402 4103
Email: information@serpentinegallery.org
http://www.serpentinegallery.org
Öffnungszeiten: 10-18 h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: