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Hans Schabus - Next Time I’m Here, I’ll Be There: Space Odyssey

Graben ging diesmal nicht. Fluten kam auch nicht in Frage. Und Sand, nein, das konnte man nicht schon wieder machen, Sand war ja erst beim letzten Mal, in Santa Fe, zum Einsatz gekommen. Also war Hans Schabus etwas in Verlegenheit. Denn jede großflächige Intervention, jede massive Entstellung des Ortes verbat sich hier die besondere Funktion des Galerieraumes, der eigentlich und zuallererst als eine Art riesiger Schalldämpfer hinter der Konzerthalle des Barbican dient. Aber dann kam Schabus doch eine Idee, wie man den Raum markant verändern konnte, ohne ihm vorher Gewalt anzutun – die Gewalt seiner Kunst, die so oft den kulturellen Schutzraum Galerie aufbricht, um die Natur und damit verbunden die Geschichte dort einzulassen: Man musste ihn einfach kippen. Jedenfalls im Geiste des Betrachters. Zupass kam dem Künstler dabei die – wie es heißt – zufällige Erkenntnis, dass die Fläche der äußeren Wand dieses schlauchförmigen Halbrunds ungefähr der Grundfläche einer Boeing 747 entspricht. Was ihn flugs dazu veranlasste, diese Wand auch demgemäß zu bestuhlen, und zwar mit exakt 461 aus dem gesamten Barbican-Komplex geborgten Möbeln. Betritt man nun „The Curve“, wie die Galerie ganz sinnigerweise heißt, fühlt man sich augenblicklich ein wenig wie in Stanley Kubricks „2001“, genauer wie in diesem rotierenden Riesenrad, das die Raumwahrnehmung so verwirrt, weil es die Welt gleichsam auf den Kopf stellt: eine Assoziation, die übrigens nicht nur durch eine gewisse zeitliche Nähe gedeckt wird – Film und Architektur trennen lediglich drei Jahre –, sondern auch durch den unleugbaren Eindruck, dass das Barbican, ein riesiges Kultur-Zentrum im brutalistischen Stil, das regelmäßig zu Londons hässlichstem Bauwerk gewählt wird, ohnehin wirkt wie ein mitten in der Stadt gestrandetes Raumschiff. Und wirklich begeben wir uns mit dieser Installation, ähnlich wie mit Kubricks „Discovery“, auch auf eine – in Schabus’ Werk immer wiederkehrende – Entdeckungsreise, weil die versammelten Stühle, die strikt nach Typus und Farbe geordnet sind und allen möglichen Bereichen (Büros, Cafés, Veranstaltungsräumen etc.) entnommen wurden, ja einen imaginären Rundgang durch das Gebäude erlauben: Während wir also – mehr oder weniger unbeweglich – vor der Wand verharren, werden wir gleichzeitig dazu mobilisiert, einen Streifzug durch das Haus sowie seine Design-Geschichte zu unternehmen. Eine Konstellation, die wiederum die Flugzeug-Metapher aufs vorzüglichste abbildet, denn auch dort werden wir schließlich, selbst unbeweglich, von fremder Hand bewegt; wobei diese Metapher dann nicht nur die konkrete Situation trifft, sondern eigentlich gleich auf die ganze Immobilie verweist, die uns physisch in ihren Kinos, Theatern, Konzertsälen festbannt, derweil wir zu Höhenflügen in die vergeistigten Sphären der Kunst abheben (können). Und gewissermaßen als Sphärenklänge, als Hintergrundgeräusche dieser Arbeit hat Schabus sich auch noch einfallen lassen, den über verschiedentlich installierte Mikrophone eingefangenen Sound des Hauses hierher zu übertragen: eine zusätzliche Ebene, die nicht nur unser Umherschweifen akustisch unterstützt, die nicht nur die Flugzeug-Metapher klanglich bekräftigt, denn in einem Aeroplan bemühen wir uns qua visueller Beschränkung ja sehr um unseren Gehörsinn, sondern die auch noch die Pointe bereithält, Ton damit dorthin zu transportieren, wo er – eingedenk der ursprünglichen Funktion des Raumes – im Grunde nichts verloren hat. Einfach komplex, aber gut.

Mehr Texte von Peter Kunitzky

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Hans Schabus - Next Time I’m Here, I’ll Be There
01.03 - 01.06.2008

Barbican Art Gallery
EC2Y 8DS London, Barbican Centre, Silk Street
Tel: +44-020 7638 8891
Email: art@barbican.org.uk
http://www.barbican.org.uk


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