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Robert Rauschenberg 1925 - 2008

Unablässige Veränderung bis zuletzt

Stunden nach seinem Tod am Montag dem 13. Mai auf seinem Anwesen in Florida wurde Robert Rauschenberg in den Kreis der Titanen gehievt. Auf der Suche nach sprachlichen Verdichtungen für seine enorme Bedeutung orientierten sich die Pressemeldungen übereinstimmend am Ausdrucksrepertoire der New York Times.

Tatsächlich prägte Rauschenberg als Netzwerker und konzeptueller Vordenker die Kunst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts maßgeblich mit. Persönlich setzte er sich über die europäische Moderne hinweg und führte die amerikanische Avantgarde über den abstrakten Expressionismus hinaus, wobei er aus dem Feld von Freundschaften und Produktionsgemeinschaften heraus das für ihn charakteristische genreübergreifende Arbeiten konstituierte. Erneuerungslust und kritische Befragung der Strömungen der Gegenwartskunst sowie – daraus resultierend – der Aufbruch in immer wieder neue Terrains kennzeichnen sein breites Wirken in einem Koordinatensystem zwischen Minimal Art, Materialkunst, Zufallsästhetik, Pop Art, Dokumentarismus, Musik und Tanztheater.

Seine zahlreichen Schwenks begründete er mit automatisch auftretenden Momenten produktionsimmanenter Langeweile: “I usually work in a direction until I know how to do it, then I stop. (...) A lot of people try to think up ideas. I’m not one. I’d rather accept the irresistible possibilities of what I can’t ignore.”

Nach einer ersten Ausbildung am Kansas City Art Institute studierte der 1925 geborene Texaner 1947 kurz in Paris an der Academie Julian, wo er traditionelle Landschaften und Städtebilder malte. Dort ging er eine Liebesbeziehung mit der Künstlerin Susan Weil ein, die gerade im Begriff war, an das Black Mountain College in North Carolina zu wechseln. Mit ersten Ersparnissen in der Tasche begleitete er sie, um dann bei Josef Albers zu studieren.

Während er zunächst großformatig, weiß, monochrom malte und Ende der 1950er Jahre Zeichensysteme aus Zahlen schuf, war er bereits John Cage und dessen Denkweisen der Öffnung begegnet. In New York entstanden Freundschaften mit Robert Motherwell, Franz Kline oder Jack Tworkow. Gemeinsam mit Jasper Jones zog er nächtelang duch Manhatten und auch Cy Twombly war sein Weggefährte.

Etwa 1952 und 1953 lässt sich Rauschenbergs künstlerischer Aufbruch festmachen. Mit seinen Dirt Paintings in Mischtechnik sowie mit Objektkästen, die er in der Stable Gallery in New York präsentierte, formulierte er zentrale Koordinaten seines Vokabulars. Das psychisch-gestische Ausdrucksverfahren des Action Painting traf auf Agglomerationen vorgefundener Materialien. Als Rauschenberg schließlich Abfall und diverse – gemeinhin als minderwertig codierte – Fundstücke einsetzte und außerdem eine Zeichnung Willem de Koonings erwarb, um sie letztlich zu zerstören, waren Kontroversen initiiert, vor deren Hintergrund er die Phänomene der Zeit noch intensiver reflektierte.

Zum einen suchte er Möglichkeiten, die aus dem unmittelbaren Feld der bildenden Kunst hinaus führten und gründete 1958 gemeinsam mit John Cage und Merce Cunningham die nach letzterem benannte Balletcompanie, als deren künstlerischer Leiter er fungierte. Zum anderen erweiterte er die Malerei durch Siebdruck, Druckreibeverfahren und Fotoreproduktionen. Auf dokumentarischem Material aufbauende Werke wie Retroactive 1, 1964 oder die Litghografie Serie Stoned Moon, 1969 – 70 entstanden, bevor Rauschenberg mit hoher Sensibilität Materialien wie Seide oder transparente Stoffe einsetzt, welche dann lediglich ihre eigene Stofflichkeit repräsentieren.

Einen weiteren Wechsel vollzog er mit seinem Projekt "Roci, Rauschenberg Overseas Culture Exchange", 1984 bis 1991, in dessen Rahmen er zehn Länder bereiste, um das jeweils Kulturspezifische bildnerisch umzusetzen. Wegen dessen vielfältiger, nahezu rhizomorpher, das Fixe immer wieder aufweichenden Arbeitsweise passt der Ausdruck „Titan“ vielleicht nicht so ganz zu Rauschenberg. Als zentrale Koordinate der Avantgarde wird sein Schaffen allemal weiterleben. 1998 widmete ihm das New Yorker Guggenheim Museum übrigens eine umfangreiche Retrospektive mit rund 400 Werken. Das Münchner Haus der Kunst zeigt aktuell Werke aus den Jahren 1970 bis 1976.

Mehr Texte von Roland Schöny

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