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Douglas Gordon, Phillippe Parreno - Zidane: A 21st Century Portrait: Zehn Ass König

Der König Fußball lebt. Und das trotz der Sommerpause, in der die Kicker üblicherweise völlig von der Bildfläche verschwunden sind, weil sie in ihren Trainingscamps ächzen, um sich für die neue Saison erst wieder in telegene Form zu bringen. Aber was ein echter König ist, überstrahlt mit seinem Auftritt sogar die eigentlich fußballfreie Zeit: ein König namens Zidane. Denn der flimmert gerade in der Berliner daad-Galerie über die Leinwand, auf die ihn Douglas Gordon und Philippe Parreno via ihren Film mit dem etwas hochfliegenden Titel „Zidane. A 21st Century Portrait“ gebracht haben. Die beiden hatten den Ausnahmekönner nämlich im Jahr 2005 während eines Ligaspiels von Real Madrid ins Visier genommen, hatten also den wahren König unter all den königlichen Spielern gewählt, um dessen Tun mit höchstem technischem Aufwand einzufangen: Ganze 17 Kameras, von den besten Männern ihrer Zunft (etwa dem Kameramann von Scorsese) bedient, wurden ausschließlich auf Zidane gerichtet und zudem noch ein Mikrophon in seinen Strumpf getan, sodass keiner seiner Schritte optisch wie akustisch verloren gehen konnte. Entstanden ist dabei schließlich etwas durchaus Ambivalentes, seltsam Zwiespältiges. Denn durch die enge Fokussierung auf den Protagonisten, deren Prinzip freilich bereits Hellmuth Costard mit seiner George Best-Hommage „Fußball wie noch nie“ (1970) installiert hatte, erscheint Zidane hier nicht nur – wie im sonst gewohnten TV-Format, dessen Regie immer am Ball zu bleiben versucht – als Feldherr, als souveräner Lenker seiner Mannschaft, der mit seiner Kunstfertigkeit regelmäßig das Publikum entzückt und den Gegner entsetzt und so bei nahezu allen gefährlichen Aktionen seinen Fuß mit im Spiel hat; nein, da die Kamera ihm stur folgt wie ein Manndecker der ganz alten Schule, wird er darüber hinaus – und zweifellos befremdlich – auch noch als Fußball-Arbeiter vorgeführt, als jemand, der sich oft vergebens anbietet, viele leere Kilometer läuft und dabei literweise Schweiß vergießt. Es wird hier also durch die totale mediale Konzentration, in deren Folge sich doch auch eine merkliche Entzauberung des Fußball-Magiers Zidane einstellt, ex negativo erst die übliche – und dadurch aus dem Bewusstsein gedrängte – televisionäre Zurichtung eines Fußballspiels ersichtlich, die es unter anderem durch ihre globale Gleichförmigkeit vermochte, den einstmaligen Proletensport in ein familientaugliches Event umzuformen und einen begabten Fußballer wie Zidane in einen Weltstar zu verwandeln; ein Sport-Medien-Wirtschafts-Komplex, der spätestens dann augenfällig wird, als in den fingierten Nachrichten, die hier die Halbzeitpause füllen, in Bildern aus dem Irakkrieg ein Junge in einem Zidane-Trikot auftaucht: Zidane folglich weniger ein König von Gottes Gnaden, dem er zwar sein Talent zu verdanken hat, als von Medien Gnaden, die dieses Talent erst im richtigen Licht haben erscheinen lassen. Und da wir schon dabei sind: Das Bizarrste an diesem Spiel – und Film – ist tatsächlich das Ende, als Zidane völlig unmotiviert wie ein wilder Stier auf einen Gegenspieler losgeht und dafür Rot sieht. Vielleicht war dieser so introvertiert und geradezu scheu wirkende Star, der natürlich in Gordon/Parrenos Vorhaben eingeweiht war, also wesentlich medienbewusster als vermutet. Vielleicht war die finale Attacke gegen Materazzi also doch nicht nur der familiären Ehrenrettung, sondern auch der Sorge um einen großen Abgang geschuldet. Funktioniert hat`s jedenfalls.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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Douglas Gordon, Phillippe Parreno - Zidane: A 21st Century Portrait
16.06 - 09.08.2008

daadgalerie
10969 Berlin, Oranienstraße 161
Tel: +49-30-20220827
http://www.daadgalerie.de
Öffnungszeiten: 12-19 h


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