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Die Kraftprobe - 200 Jahre Kunstakademie München: Der Kuss der Akademie

Die anlässlich des 200sten Geburtstags der Kunstakademie München zusammengestellte Überblicks-Ausstellung im Haus der Kunst mit dem stürmischen Titel „Kraftprobe“ beginnt etwas beschwörend mit der psycho-politischen Konfrontation zwischen Historie und Gegenwart. Das Aushängebild und der Namensgeber der Show „Die Kraftprobe“ des Tiroler Malers Franz Defregger zeigt eine lokale volkstümliche Brauchtumsszene – eine Gruppe junger Männer versucht einen massiven Stein zu heben. In dieser realistisch nachgestellten Genreszene handelt sich aber auch um eine symbolische Darstellung, die auf das Tiroler Streben nach territorialer Unabhängigkeit während der Napoleonischen Hegemoniezeit anspielt. In unmittelbarer Nähe ruht auf dem Boden eine von Olaf Metzel konzipierte Waffenplastik: eine Vergrößerung der Dienstpistole der westdeutschen Polizei: „Idealmodell PK/90“. Sie entstand als Ausdruck einer „Sachlage“,nach dem Skandal um seine Skulptur „13.4.81“, einem Turm aus Polizei-Absperrgittern, und die 1987 unter Protest vom Berliner Kurfürstendamm entfernt wurde. Solche Gegenüberstellungen alter Malerei mit der „volkstümlichen“ Gegenwartsskulptur gehören zu den spannendsten Augenblicken dieser groß angelegten Ausstellung, die rund 100 Arbeiten von KünstlerInnen aus 18 europäischen Ländern und Nordamerika vorführt. Von 1850 bis 1900 ist die Münchner Akademie tatsächlich zum Mittelpunkt der monumentalen Historienmalerei als Leit-Kunst geworden, die mit großem Bombast Geschichte, Religion und Mythos verknüpfte und beispielhaft von ideologischen Zwängen befreit war. Besucht wurde sie zur Zeit des Akademieprofessors Karl von Piloty besonders von angehenden jungen Malern aus Bulgarien, Polen, Ungarn, Griechenland oder Kroatien, die sich in ihren oft dramatisch-pathetischen Bildwelten mit der nationalen Selbstfindung und Identität sowie sozialen Fragestellungen und Gewalt in diesen von Fremdmächten besetzten Gebieten beschäftigten. Prächtig-üppige Gemälde von Antoni Piotrowski, László Pataky oder Nikolai Pavlovic legen dafür Zeugnis ab. Zu entdecken gibt es auch einsame Wölfe von Alfred Wierusz-Kowalski oder der fantasievolle „Auferstehungszyklus“ der Polin Zofia Stryjenska, die als Mann verkleidet den Unterricht an der Akademie genoss. Nach 1914 verlor die Münchner Kunstinstitution ihre herausragende internationale Stellung und ihre Anziehungskraft, obwohl immer noch überzeugte Anwälte der Moderne wie Josef Albers oder Paul Klee hier studierten. Nur als kurze Episode tauchen in der Ausstellung zwei Werke aus der Zeit des NS-Regimes auf: ein lasziver Akt einer Tänzerin als Kindfrau mit blauer Schleife im Haar von Adolf Ziegler, Akademiedirektor zur NS-Zeit, und eine Führerbüste Hitlers von Bernhard Bleeker. Zum Schluss werden noch ein paar Werke und Gruppenprojekte präsentiert, die weniger der obligatorischen Ausschmückung von Straßen, Museen und Plätzen dienen sollten, als vielmehr beginnend mit den Fragen der 1960er Jahre sich mit der Re/Konstruktion der Geschichte und den sie beeinflussenden Kräften auseinandersetzten. Die Glanzzeit des Hauses scheint aber nach wie vor im Vergangenen zu liegen.
Mehr Texte von Goschka Gawlik

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Die Kraftprobe - 200 Jahre Kunstakademie München
30.05 - 31.08.2008

Haus der Kunst München
80538 München, Prinzregentenstrasse 1
Tel: +49 (0)89 21127-113, Fax: +49 (0)89 21127-157
Email: mail@hausderkunst.de
http://www.hausderkunst.de/
Öffnungszeiten: Mo – So 10.00 – 20.00, Do 10.00 – 22.00


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