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Vienna, Austria

Klagenfurt hat etwa 90.000 Einwohner. Wenn es hoch hergehen wird in diesem Sommer, könnte sich diese Zahl vervielfachen, und der ruhige Bürger, der diese Stadt so liebenswert macht, sieht sich schon in Quarantäne. Österreich ist zu klein für die Europameisterschaft, und die Städte sind inklusive Salzburg, Innsbruck und auch denen der Schweiz, was aber gerade nicht zum Argument gehört, ebenfalls zu klein. Das einzige, was nicht zu klein ist, das ist Wien. Dass die wasserköpfige Kapitale in eine andere Taxinomie gehört als die Republik, der sie vorsteht, ist seit 1918 ein alter Hut. Die Ressentiments des Landes gegen die Stadt sind oft vernommen, und es ist in der Tat nicht einfach für jemandem, der es in Östereich zu etwas bringen will, sich an Wien festzubeissen. Doch hat es die Metropole immer wieder vermocht, genau das macht eine Metropole aus, die Zugereisten an sich zu binden, sie zu assimilieren und zu infiltrieren mit urbanem Geist. Selbst Wilfried Seipel, als Oberösterreicher, der er war, als er vom dortigen Landesmuseum kam, lange verspottet, ist diesem Geist noch erlegen. Was sein Haus in den letzten Jahren veranstaltet hat, Greco, Tizian, jetzt Arcimboldo, zeigt das Kunsthistorische Museum um Lichtjahre über dem Status, Österreichs bedeutendstes Museum abzugeben. Das KHM ist ein Haus von Weltrang, der Nation, der es angehört, schlichtweg inkommensurabel, und der Direktor hat unabhängig von seiner Herkunft diese universale Dimension bestätigt. Wie es aussieht, ist es mit so etwas jetzt vorbei. Von der „Haupt- und Residenzstadt“ hört man auch Klaus Schröder bisweilen sprechen, auch er Oberösterreicher, auch er ein Direktor, der um die internationale Bedeutung seines Hauses besorgt ist. Wie man hört, steht die Verlängerung seines Vertrages an der Albertina gehörig in Frage. Er hat es einer Obrigkeit, deren Kompetenz aus etwas Banker-Knowhow und viel Parteibuch besteht, gegenüber an Ehrerbietung mangeln lassen. An der Angewandten ist der Vertrag mit Gabriele Werner, Kunsthistorikerin von ihrerseits internationaler Bedeutung, schon nicht verlängert worden. Die Hausgemachtheiten treten in der Vordergrund. Wien wird provinzialisiert. Schon lange haben das Steirertum oder die Vorarlbergerschaft den Ton angegeben, doch dass man derlei Herkunftsbezeichungen nunmehr für Prädikate hält, ist durchaus neu. Es macht selbstverständlich auch vor Wienern nicht Halt. Und es entspricht dem grotesken Diminuendo von Kreisky zu Vranitzky zu Schüssel zu Gusenbauer, wie es die Kanzler vorgespielt haben. Österreich bemächtigt sich Wiens. Auch eine Horizontverschmelzung: Wenn man sich nur global denken wähnt, dann darf man mit Fug lokal handeln. Das ist die Logik der Emanzipation der Subalternen. Und Wien wird mehr und mehr zum größten Ort eines kleinen Landes.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
K. am Wörthersee
G. Nischelwizer | 08.04.2008 03:56 | antworten
Notabene, auf Kreisky folge Fred Sinowatz. Der war Burgenländer und - um in der musikalischen Notation zu bleiben - crescendo. Ein Mann von Weltformat, dessen Worte Gewicht hatten. Außerdem hat "Metropole" nur eine einzige, wirklich relevante Aufgabe: Sie ist jener Ort, an der Widerstand am effektivsten organisiert werden kann und muß. Zuletzt: 92544 Einwohner hat Klagenfurt am Wörthersee. Wobei es jetzt aber nicht um die Einwohner geht sondern darum, dass die Stadt nunmehr offiziell ausschließlich "Klagenfurt am Wörthersee" heißt. Hier hat ein Bürgermeister endlich einmal den Mut besessen, Flagge zu zeigen und die Kultur in den Namenszusatz hineinzureklamieren.

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