Andrea Winklbauer,
Mitten am Nachmittag
Der Western ist als Genre faszinierend: Er basiert auf Mythen, ist archaisch, arbeitet sich an der Vergangenheit ab - und ist doch ganz Spiegel seiner Gegenwart. Verwirrend wird es dann, wenn jemand so ein Zeitdokument fünfzig Jahre später neu verfilmt. Häufig kommt das nicht vor. James Mangolds "Todeszug nach Yuma" (3:10 to Yuma) ist so ein Versuch.
Delmer Daves` 1957er Original nach einer Kurzgeschichte aus dem "Dime Western Magazine" ist ein immer noch schillerndes Meisterwerk in Schwarzweiß, gerne verglichen mit, aber nicht so berühmt wie Fred Zinnemanns "High Noon". Die Handlung ist rasch erzählt: Der Rancher und Familienmann Dan Evans (Van Heflin), der durch die Dürre vor dem Ruin steht, meldet sich für Lohn freiwillig, den gefangenen Gangboss Ben Wade (ein fatal-charmanter Glenn Ford) nach Contention zu bringen, um ihn dort am 3:10 Uhr Zug nach Yuma, in Richtung Gefängnis, abzuliefern. In Contention wird die Wartezeit im Hotelzimmer zur wahren Zerreißprobe für den entschlossenen Dan, denn der intelligente Outlaw verwickelt ihn gekonnt ins hinterhältige Gespräch. Draußen wartet die Bande, um ihren Boss zu befreien, und alle übrigen Helfer haben sich aus dem Staub gemacht. Wie in "High Noon" kündigt die Uhr den Showdown an, bei dem der Rancher, für den es längst nicht mehr um Geld geht, sich alleine der Übermacht stellt.
James Mangolds neue Version folgt dem Original über weite Strecken, doch natürlich wurden Ästhetik und Dynamik aktualisiert. Eine wesentliche Neuerung ist die Verschärfung der Details ins Dramatische, die viel von der Psychologie der Vorlage veräußerlicht: Gleich zu Beginn brennt der Stall des Ranchers (ein verletzlich-düsterer Christian Bale) ab: Brandstiftung eines spekulierenden Gläubigers. War anno 1957 bloß sein Stolz angeschlagen, so ist er 2007 auch körperlich gezeichnet: Dan Evans hat im Bürgerkrieg ein Bein verloren. Seinem Gegenspieler, dem brutalen, gewandten und charismatischen Bandenchef Ben Wade (kongenial verkörpert durch Russell Crowe), liefert auch dieser Dan Evans eine ebenbürtige Performance in Cleverness und Reaktionsvermögen, die Ben Respekt und sogar Sympathie abringt. Die Charaktere und ihre Darsteller zählen zu den ganz großen Pluspunkten des Remakes. James Mangold verlängert den Transport nach Contention um einige dramatische Actionszenen. Er vergrößert die Rolle von Dans älterem Sohn, einem von seinem Vater enttäuschten Teenager, und fügt den Handgreiflichkeiten auch noch einen satten Vater-Sohn-Konflikt, ein weiteres Motiv des klassischen Westerns der Fünfziger, hinzu.
Delmer Daves` psychologisches Lehrstück über Heldentum und Moral ist balladenhaft, aber knallhart realistisch erzählt, ein ungewöhnliches Baby seiner Zeit. Im Remake sind Wahrscheinlichkeit oder Verhältnismäßigkeit unbedeutende Kategorien: Der invalide Rancher reitet, rennt und springt von Dächern, der aggressiv-charmante Outlaw kann so viele Menschen töten, wie er mag, und bleibt trotzdem sympathisch. Mangold geht mit der Steigerung der Archaik seiner Vorlage auch weit über deren Schmerzgrenzen hinaus und deutet sie dramatisch um: Der gebrochene, unfreiwillige "Held" hält sich gegen den Widerstand aller als einziger an "die Regeln" und findet dabei endlich zu sich selbst. Damit hat er gesiegt, auch wenn das bedeutet, dass er Opfer bringen muss. "In hard times, Americans have often turned to the Western to reset their compasses”, schreibt Roger Ebert am Ende seiner Besprechung des Films. Dieser Kompass zeigt mit "Todeszug nach Yuma" leider auf ein grimmiges "Wir müssen eben tun, was getan werden muss".
Todeszug nach Yuma
Regie: James Mangold
Darsteller: Darsteller: Russell Crowe, Christian Bale, Christopher Browning, Kevin Durand, Peter Fonda
Ab 18. Jänner 2008.
www.sonypictures.de
www.todeszug-nach-yuma.de
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