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Maurizio Cattelan: Gang nach Golgatha

Maurizio Cattelan zeigt im Kunsthaus Bregenz eine sehr klassische Werkfolge zu seinem zentralen Lebensthema, dem Tod. Die eigens für Bregenz geschaffenen Arbeiten tauchen das Bregenzer Kunsthaus in eine sakral anmutende Atmosphäre, die in der Thematisierung des Sterbens den Besucher auf sich selbst zurückwerfen. Mit dem dahingestreckten Papst, der von einem Meteorit getroffen worden ist oder mit einem Hitler als devot betender Knabe hat Cattelan sich in das kollektive Bewusstsein der Gesellschaft eingegraben. In dieser Schau konterkariert der italienische Künstler seine Rolle als Hofnarr, Witzbold und Spaßvogel des internationalen Kunstgeschehens, und zeigt Werke, die sehr ernst und von tragischer Existentialität geprägt sind. Cattelan ist im internationalen Kunstzirkus längst zu einem vielbeklatschten Clown geworden, der sich alles leisten könnte. Hier in Bregenz kehrt er die Tragik des Clowns hervor, der bei allem Lachen, immer eine Träne im Auge hat. In der Vieldeutigkeit der Arbeiten sind der Tod und die Vergänglichkeit ständig präsent. Kurator Rudolf Sagmeister spricht von einer "wunderbaren Ausstellung", und einem Privileg, diese extra für Bregenz geschaffene Werkfolge hier zeigen zu können. Insgesamt hat Maurizio Cattelan vier Werkgruppen geschaffen. Im Erdgeschoss hängt das gleiche Motiv als Triptychon an der Wand, das für das Ausstellungsplakat verwendet wurde, nämlich die vergrößerte Postkarte eines brennenden Bregenz, dem am Himmel eine Hand mit Daumen nach unten die Vernichtung androht. Es handelt sich hierbei um die Übertragung einer Vorlage der Faschisten, die auf diese Weise London die Vernichtung prophezeiten. Cattelan arbeitet häufig mit ausgestopften Tieren, wie zuletzt etwa im Museum für Moderne Kunst in Frankfurt (2007), wo ein präpariertes Pferd, das über den Köpfen der Betrachter mit dem Kopf in der Mauer angebracht war, beim Betrachter ein ganz eigenartiges, beklemmendes Gefühl zurückließ. Im Kunsthaus Bregenz, im ersten Stock, finden sich im ansonsten leeren Raum, zwei ausgestopfte Hunde, die ein kleines Küken beschützen. Die zwei Labrador-Hunde sind von solch täuschender Echtheit, dass man ihnen willkürlich den Rücken kraulen möchte. Die Szene zeigt Geborgenheit, der Schutz für das gelbe kleine Federvieh scheint gewährleistet. Der ganze Raum ist von dieser kleinen dreier Gruppe atmosphärisch ausgefüllt. Im zweiten Stock hat Cattelan das Thema der kollektiven Katastrophe des ersten Stockes wieder aufgenommen. In Marmor ausgeführt, hat er mit Leinen bedeckte Leichname fein säuberlich aufgereiht. Klassisch anmutende Grabskulpturen, die einerseits durch ihre schönen Formen bestechen und andererseits eindringlich auf die unentrinnbare Möglichkeit des Todes verweisen. Die Liftausgänge sind grau verhüllt, die Temperatur heruntergefahren, es entsteht so der Eindruck einer Grabkammer, die dem Betrachter unwillkürlich die Endgültigkeit des Todes vor Augen stellt. Der dritte Stock ist gesperrt. Wenn man die Treppe hochgeht, sieht man oben auf der Höhe des dritten Stockwerkes einen weiblichen Körper in einer Mischung aus Sportlerposition und Kreuzigungshaltung hängen. Hier auf der Treppe zwischen zweitem und drittem Stockwerk intensiviert sich die sakrale Atmosphäre noch einmal. Als eine mögliche Lesart tritt die Wirkungsmächtigkeit des christlichen Vokabulars deutlich zutage, der Gang über die Stufen könnte so einem Gang nach Golgatha ähnlich werden. Die hyperrealistische Puppe, die da oben hängt, ist perfekt gearbeitet, und bei genauem Hinsehen zeigt sie harmonische Proportionen, die an die Schönheit antiker Figuren erinnert. Die Skulptur hat etwas Absurdes, aber auch etwas Endgültiges, sie verweist auf das Heilige, aber auch auf die einfache Tatsache, dass hier jemand auf ganz seltsame Weise verstorben zu sein scheint. Die Maurizio-Cattelan-Ausstellung im Kunsthaus Bregenz zeigt eine geschlossene Werkfolge, die abseits jeder Clownerie, das Thema des Todes für die Besucher existentiell erfahrbar macht.
Mehr Texte von Wolfgang Ölz

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Maurizio Cattelan
02.02 - 24.03.2008

Kunsthaus Bregenz
6900 Bregenz, Karl Tizian Platz
Tel: +43 5574 48 594-0, Fax: +43 5574 48 594-8
Email: kub@kunsthaus-bregenz.at
http://www.kunsthaus-bregenz.at
Öffnungszeiten: Di-So 10-18, Do 10-20 Uhr


Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
oT
b_logo | 12.02.2008 11:32 | antworten
naja

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