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Andrea Geyer - The past never changes¹: Die Vergangenheit ändert sich (nicht)

Dass die Vergangenheit sich nie ändere, sondern nur unsere Interpretation davon, verkündet die Vernissage-Einladungskarte. Die fotografierten Skulpturen scheinen das zu belegen: Ihre Gesichtszüge sind allgegenwärtig, ihr steinerner Körper ziert eine Vielzahl von New Yorker Gebäuden. Audrey Munson aber war keine Heldin. Sie war eines der begehrtesten Modelle des frühen 20. Jahrhunderts, kämpferisch monumental oder spielerisch verträumt ihre Gesten, ohne Würde niemals. Und sie schrieb über die Diskriminierung von Künstlermodellen. Insofern vielleicht doch eine Heldin, eine antiikonische Ikone des Kampfes für die Rechte der Frauen. In den Kontext dieser Kämpfe stellt sie jedenfalls die Künstlerin Andrea Geyer, die die nach ihr gefertigten Figuren in schwarzweiß fotografiert hat. Auf die Glasrahmen, in die die Bilder gefasst sind, hat die Künstlerin Motive aus verschiedenen Phasen der Frauenbewegung eingraviert. Die BetrachterInnen können so erfahren, dass die Rahmung häufig erst das Bild erstellt, ein Kontext die Geschichte macht und die Sichtbarkeit, für die identitätspolitische Minderheiten auf die Straße gingen, nicht unbedingt zu politischer Repräsentation führen. Audrey Munson wurde 104 Jahre alt und verbrachte die letzten 65 Jahre davon unbeachtet in einer Nervenheilanstalt. Neben dieser im wahrsten Sinne vielschichtigen Fotoserie wird die Foto-Text-Arbeit "Spiral Lands Chapter 1" präsentiert, die bereits auf der Documenta 12 zu sehen war. In der Fortsetzung "Spiral Lands Chapter 2" erweitert die Künstlerin die Auseinandersetzung mit der US-amerikanischen Idyllisierung des endlosen Landes um weitere Dimensionen: Mit der bei der Eröffnung aufgeführten Performance hat sie methodisch Bilder und Schrift ergänzt, inhaltlich bezog sie damit diskursive Machtformen in ihre Analyse mit ein: Waren es bisher Reiseschilderung und die dokumentarische Fotografie, die in "Spiral Lands" thematisiert wurden, kam durch die aufgeführte Rede des Ethnologen noch die Wissenschaft hinzu. Die Vergangenheit, um deren Interpretation und Deutung es hier wie dort geht, muss performed, inszeniert werden, sie wird erst fabriziert. Die Vergangenheit ist, wie Maurice Halbwachs schrieb, eine "soziale Konstruktion". Und verändert sich auf diese Weise doch.
Mehr Texte von Jens Kastner

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Andrea Geyer - The past never changes¹
08.02 - 05.04.2008

Galerie Hohenlohe
1010 Wien, Bäckerstrasse 3
Tel: +43 1 512 97 20, Fax: +43 1 512 74 19
Email: galerie@galeriehohenlohe.at
http://www.galeriehohenlohe.at
Öffnungszeiten: geschlossen


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