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Rupprecht Geiger - Retrospektive: Objekt: Farbe

Das Lenbachhaus in München zeigt anlässlich des hundertsten Geburtstags von Rupprecht Geiger eine große Retrospektive seiner Arbeiten aus sieben Jahrzehnten. Der Maler und ausgebildete Architekt, der heute noch täglich in seinem Atelier anzutreffen ist, wurde vor allem durch seine farbintensiven roten Bildräume bekannt und zählt zu den interessantesten Künstlerpersönlichkeiten Deutschlands. Als Sohn des unter der Nazidiktatur abgesetzten Malereiprofessors Willi Geiger wuchs er in den liberalen und "wilden Zwanziger Jahren" in München auf und kam schon früh mit den wichtigsten künstlerischen Strömungen seiner Zeit in Berührung. Für seine autodidaktische Malereientwicklung war vor allem sein Einsatz als Kriegsmaler in den Vierziger Jahren in der Sowjetunion und in Griechenland bestimmend. Die dabei entstandenen Aquarelle mit hohem Horizont und Lichtstimmungen der russischen Weite sind Vorboten späterer Farbexperimente. Ende der Vierziger Jahre löst Geiger das Rahmengeviert seiner Gemälde auf und beginnt mit sogenannten "shaped canvases", die etwas später auch bei amerikanischen Malern, wie Stella, zu finden sind. Leinwände weisen Dreiecke und verschiedene geometrische Formen auf, das Oben und Unten des Bildgrundes löst sich auf. Bemerkenswert ist die Gleichzeitigkeit seiner Entwicklung mit derjenigen in den USA. 1948 erscheint dort Clement Greenbergs prophetischer Aufsatz "The Crisis of the Easel Picture", der als Abgesang auf das klassische Tafelbild zu lesen ist und das "all over" des Farbauftrags postuliert. Wenn auch Geiger diesen Text nicht gekannt hat, so trifft diese Sichtweise dennoch auf seine neu gewonnenen malerischen Freiheiten zu. Zugleich war in Deutschland eine Debatte der polarisierenden Strömungen, der jüngeren abstrakten Maler und der realistischen Tradition im Gange, die noch stark von den dunklen Jahren und dem Jargon der Nazizeit geprägt war. 1948 erscheint in Deutschland das Traktat des Kunsthistorikers Hans Sedlmayr "Der Verlust der Mitte", der das Ende der klassischen Bildtradition beklagt. Ein Jahr später gründet Geiger in München mit Künstlerkollegen wie Willi Baumeister die Gruppe ZEN 49, die sich der abstrakten Malerei verpflichtet fühlt und sich auf die Tradition des Blauen Reiters beruft. Ab dem Ende der Sechziger Jahre dominiert in Geigers Arbeiten die Form des gedrückten Kreises, die Rottöne werden dominanter, wobei sie auch ins Gelbliche oder ins Orange kippen können. Später sprüht Geiger ein Arcyllackgemisch auf den Bildträger, es entstehen meditative Farbobjekte, denen trotz ihrer Schönheit eine gewisse Aggressivität inne wohnt. Die Ausstellung im Lenbachhaus gibt einen umfassenden Überblick über die konsequente Werkentwicklung dieser eigenständige deutschen Malerposition und kann mit der derzeit in München laufenden Rothko-Retrospektive (siehe die artmagazine Kritik vom 10.3. 2008) ohne weiteres in Beziehung gesetzt werden.
Mehr Texte von Susanne Rohringer

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Rupprecht Geiger - Retrospektive
15.12.2007 - 30.03.2008

Städtische Galerie im Lenbachhaus
80333 München, Luisenstraße 33
Tel: +49 89 233 32 00 0, Fax: +49 89 233 32 00 3/4
Email: lenbachhaus@muenchen.de
http://www.lenbachhaus.de/
Öffnungszeiten: Di - So 10.00 - 18.00


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