Erick Beltran, Ergo Sum & Monument to Transformation, Sanja Ivekovic, Milica Tomic, Little Warsaw, Kajza Dahlberg, Vangelis Vlahos, u.a.: Was ist Diskurs?

Anlässlich der Eröffnung von "Tranzitdisplay"- der neuen Prager "Kunsthalle" war nicht nur der Andrang der lokalen Kulturszene enorm, auch internationales Kunstpublikum war zahlreich angereist. Als Kuratoren von "Tranzitdisplay" forcieren Vit Havranek und David Kulhanek den diskursiven Austausch und die Vernetzung mit anderen südosteuropäischen, sowie internationalen Initiativen, KünstlerInnen und TheoretikerInnen. Mit 120.000 Euro sponsert das Kulturprogramm der Erste Bank Group den Diskursraum "Tranzitdisplay". Ambitioniert darin, bereits im Vorfeld Dynamiken ein- und ausgrenzender Kunstenklaven zu sprengen, fand die 20-minütige Eröffnungs-Filmperformance von Jan Mancuska in dem zentral gelegenen Kinosaal Svetozor statt. Auch der Ort, wo sich "Tranzitdisplay" befindet, ist unüblich und faszinierend: Man steigt begleitet von einer A-Capella Performance junger Prager MusikstudentInnen die Treppen in das Untergeschoß eines ehemaligen Tanzstudios hinunter und befindet sich in einem überraschend großräumigen 300 Quadratmeter Ausstellungsdisplay. Wer dachte, dass die Möglichkeiten eines White Cubes als Klassiker bereits in all seinen Facetten durchgespielt wurden, kann sich nun in der radikalisierten Version eines solchen bewegen. Nicht nur den Wänden, sondern selbst dem Boden wurde ein weißer Anstrich verpasst und ein nach Bedarf relativ mobiles Display geschaffen. Dem Ruf nach einer Diskursivierung aktueller gesellschaftspolitisch engagierter Kunst kommt der mexikanische Künstler Erick Beltran in seiner flächendeckenden Rauminstallation "Ergo Sum" nach. Wir leben heute in einer auf visuellen Konsum fixierten Gesellschaft, doch was sind die Mechanismen dafür, dass gewisse Images unzählige Male reproduziert werden, während andere ausgeklammert bleiben? Erick Beltran liefert eine visuelle Enzyklopädie aus einem Chaos von Images aus Zeitung, Werbung oder Internet, verfolgt deren semantischen, politischen, ökonomischen oder transkulturellen Strategien und wirft die Frage auf: "Was ist Diskurs?" In einer weiteren Installation erstellt Erick Beltran Schemen und Diagramme, welche als Visualisierung von Ideen eine transitorische Zeichensprache entwickeln und je nach Positionierung im Raum unterschiedliche Interpretationen eröffnen. Als Work in Progress funktioniert das seit 2006 existierende Projekt "Monument to Transformation" auch im Tranzitdisplay. In den Beiträgen von Sanja Ivekovic, Milica Tomic, Little Warsaw oder Chantal Mouffe werden die Veränderungen sozialer Systeme seit dem Fall des Eisernen Vorhanges 1989 reflektiert sowie die Möglichkeiten, künstlerisch in gesellschaftspolitische Dynamiken einzugreifen. Der Reiz besteht hier darin, sich objektivierenden, sowie manipulierenden Prozessen der Geschichtsschreibung zu widersetzen und ein subjektives Museum aufzubauen, welches individuelle Erfahrungsspielräume zulässt. In der Videoprojektion "Our Flag (A Flag is a Flag is a Flag)" (1990-2007) von Sanja Ivekovic wird der Schatten einer im Wind wehende Fahne befreit von jeder nationalistischen Symbolik. Cantal Mouffe wirft in ihrem aufliegenden Text "Artistic Activism and Agonistic Politics" die Frage auf, ob künstlerische Praktiken eine relevante kritische gesellschaftspolitische Rolle spielen oder ob selbst Kulturarbeiter Teil der kapitalistischen Produktion sind - selbstreflexive Kritik anregend vermittelt.