Werbung
,

Ästhetik und Intensität

Der amerikanische Filmemacher James Benning wurde lange Zeit als Geheimtipp gehandelten. Nun hat ihm das Österreichische Filmmuseum seine erste vollständige Retrospektive ausgerichtet, in der man nicht nur die Titel der vergangenen Jahre wie "TEN SKIES" oder "13 LAKES" wiedersehen kann, sondern endlich auch das überraschend anders aussehende frühere Werk der Siebziger und Achtziger. Bekannt - und hochgeschätzt - ist James Benning für Filme, in denen er in fixen, seriellen Sequenzen und mit Konzept amerikanische Landschaften durchmisst. Die schon erwähnten Werke, aber auch weitere wie "Los", "El Valley Centro", "Sogobi" oder die beiden jüngsten, Bennings Langzeitumkreisung von Robert Smithsons Steinspirale im Großen Salzsee in Utah, "casting a glance", und "RR" - wie Rail Road -, funktionieren nach einem einfachen, aber immer wieder sehr effektiven Prinzip: In langen, statischen Einstellungen wird alles aufgenommen, was sich vor der Kamera in diesem Zeitraum tut. Das kann das Morphing der Wolken sein, die Effekte von Licht auf dem Wasser, ein Löschhubschrauber, der mit einem riesigen Container Wasser aus einem See schöpft oder das Vorüberdonnern eines kilometerlangen Güterzugs in der Weite, Einöde oder Üppigkeit einer amerikanischen Landschaft. Das mag sich nicht spektakulär anhören. Aber so ist das eben: Man muss es sehen. Denn wenn man sich einmal darauf eingelassen hat, eineinhalb bis zwei Stunden lang zuzusehen, wie Züge sich dabei anstellen, an einer Kamera vorbeizurollen, wie die Spiral Jetty sich im Lauf von mehreren Jahren immer wieder anders darbietet, wird man sich in einem James Benning-Film nie wieder langweilen. Dafür sorgen die unendlich subtilen Veränderungen, die nur die Langzeitsichtung erkennbar macht. Irgendwann erlebt man diesen Punkt, an dem sich das Verhältnis von Dauer und Unterhaltungswert umkehrt: Je länger man hinsieht, desto mehr Intensität entwickelt das Gezeigte. Und umso besser lässt sich über dessen mögliche - auch politische - Bedeutungen meditieren. Benning sagt über seine Anfänge, dass er ohne viel Vorkenntnisse über die historische Filmavantgarde versucht habe, einen Ausweg aus den üblichen filmischen Erzählstrukturen zu finden. Diese frühen Versuche wie "11 x 14" (1976) oder seine Kurzfilme stehen aber durchaus nicht außerhalb der Kunsttendenzen ihrer eigenen Zeit: Es ist ziemlich aufregend, wie sachte Minimal, Conceptual, Pop und Land Art - aber auch ältere Phänomene wie Street und Industrie-Fotografie, das Werk von Ansel Adams oder die naive Freude der frühen Filmpioniere an den Bewegungen von Alltagsmotiven - ihre Spuren in Bennings Werk hinterließen. James Benning hat zwar "das Rad" nicht völlig "neu erfunden", doch sind ihm in seinem Bemühen dazu einige sehr originelle Ergebnisse geglückt: Werke wie der auf verschiedenen formalen und inhaltlichen Ebenen hochkomplexe Kunstfilm "American Dreams (lost and found)" (1984) oder der vielschichtige, verstörend Landschaften und die Geschichten zweier Mörder verknüpfende "Krimi" "Landscape Suicide” (1986), die wie auch andere von persönlichen Erlebnissen ausgehen, sie aber in ein Allgemeines, der amerikanischen Geschichte Eingeschriebenes steigern. Es ist ein vielschichtiges, manchmal sperriges, aber immer sehr ästhetisches Werk, das nun erstmals in seiner Gesamtheit sichtbar wird. Bis 30. 11. im Österreichischen Filmmuseum. Überraschungsfilm: Mittwoch, 7.11., 20:30 Uhr www.filmmuseum.at Eben erschienen: Barbara Pichler, Claudia Slanar (Hg.): James Benning, Wien 2007
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: