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Artmapping II: Flaschenflüsterpost

Wer bis zum Jahresende ins Fluc geht, sieht sich gegenüber der Bar einer Videoinstallation von Natalia LL ausgesetzt (Consumer Art 1972-75). Hübsch-naive Frauengesichter lecken an verschiedenen essbaren Objekten, dickeren oder dünneren Salzstangen oder Bananen. Die Inszenierung verweist eindeutig auf Fellatiodarstellungen der Pornographie. Man trinkt ein Bier und kommt um die Betrachtung eines Beinah-Blowjobs nicht herum. Solche Realisierung von Absurdität, das Verwischen dessen, was als privat gegenüber dem öffentlichen Erleben gilt, ist ein Merkmal des von Ursula Maria Probst, Walter Seidl und Martin Wagner kuratierten Projekts ARTMAPPING II. 7 künstlerische Positionen öffnen Schnittstellen zwischen Kunst und dem so genannten wahren Leben, und die Frage, wie wahr dieses Leben eigentlich ist, stellt jede Position anders zur Debatte. Welche Frau denkt beim Bier an einen Blowjob? Die Innenwand des Flucs wird durch eine lebensgroße Fotomontage auf einen berühmten öffentlichen Raum hin erweitert: "Vier Minuten Moskau Roter Platz"(2005-2007) von Manfred Grübl zeigt verschiedene Stadien einer künstlerischen Intervention. Knallrote Mäntel, die auch zu Zelten verwandelt werden können, sind auf dem Roten Platz nicht länger als vier Minuten erlaubt, dann kommt die Polizei; der öffentliche Raum ist offensichtlich eingeschränkt. In Fußhöhe befindet sich eine weitere Videoinstallation, auf der Füße und Beine in Bewegung zu sehen sind. Geöffnete Schnürsenkel ringeln sich um die Füße miteinander kommunizierender Personen. Soziale Verbindlichkeit wird so durch Inkaufnahme gefährdeter Beweglichkeit etabliert und demonstriert (Roman Ondák, Resistance, 2006). Die Fragilität dessen, was als normal gilt, kommt ebenfalls in der multimedialen Installation von Florian Schmeiser vor dem Fluc zum Ausdruck. Man ist gewohnt, nachts zu schlafen, aber nicht, ein Bett in ein von mehrspurigen Autospuren umfahrenes Wiesenstück aufzustellen. Darum ist das aus einem Hotel stammende Möbel samt Auflagen wohl auch sorgfältig in Plastik eingeschweißt. Körperwärmesensoren reagieren auf Nähe mit Zuspiel einer phonetischen Assemblage auf ein Stück aus Schuberts Winterreise. Was würde passieren, wenn die nächste Hochstaatstragende Delegation in Wien nicht nur mit sorgfältig geregeltem Verkehr, sondern auch mit einer Perfromance von roten Zeltmäntel tragendenen, vielleicht an Schokoladebananen leckenden Vielpersonen-Performance und einigen "gib Gas, ich will Spaß"-Liedchen à la Schubert-Aida flankiert würde? Es wäre ein weiteres Gespräch bei einem Bier im Fluc hoffentlich wert.
Mehr Texte von Gesche Heumann

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Artmapping II
15.11 - 31.12.2007

Fluc
1020 Wien, Gabor-Steiner Weg, Praterstern
http://www.fluc.at


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