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Was nicht ins Kino kommt

Am Samstag, dem 6. Oktober, beginnt der Kartenvorverkauf für die Viennale - Zeit, das eigene Programm auszuwählen. Für besonders schnell ausverkaufte Filme gibt es seit diesem Jahr den "Bonus Track", nach Bedarf nachgereichte Zusatzvorstellungen jeweils um 18:30 Uhr im Künstlerhauskino. Filme wie Ulrich Seidls "Import Export" oder Ang Lees eben erst mit dem Goldenen Löwen ausgezeichneter Erotikspionagethriller "Se, Jie" (Gefahr und Begierde) sind heiße Kandidaten für reges Interesse, kommen aber bei uns auch schon bald regulär ins Kino. Ein schwieriger und dennoch lohnender Film wie Jacques Rivettes Balzac-Verfilmung "Ne touchez pas la hache" (Die Herzogin von Langeais) hat zwar einen Verleih, aber noch keinen Starttermin in Österreich. Die 137 Minuten Gequassel trieben in Berlin fast jeden zweiten Filmkritiker aus der Vorführung. Wer aber durchhält, kann sich am subtilen und nicht unkomischen Kammerspiel einer auf immer verzögerten Affäre erfreuen, deren - wie sich im fortgeschrittenen Verlauf der Geschichte zeigt - sehr heftige Leidenschaften von der Herzogin zeitweise so kunstvoll zerredet werden, dass der Zuseher die (süße?) Qual - und die Rachegelüste - ihres Galans fast nachfühlen kann. Meisterlich gelungen ist auch Hartmut Bitomskys essayistische Dokumentation "Staub". Lapidar wie die beliebte "Sendung mit der Maus" erzählt "Staub" von dem lästigen Gekrümel, das sich nie ganz entfernen lässt: Staub auf Filmmaterial, in Wohnungen, Industrieanlagen. Normstaub kann man kaufen, Hausstaub besteht zum größten Teil aus Mensch. "Staub" ist die ultimative Reflexion über eines der letzten Dinge - für die wir uns normalerweise interessiert hätten. Noch zwei Dokumentationen müssen empfohlen werden: "Los Angeles Plays Itself" war schon einmal 2003 während der Viennale zu sehen. Diesmal wird der Film im Rahmen der Termiten-Retrospektive im Filmmuseum gezeigt. Die Vorlesung in Filmform entwirft ein Porträt von Los Angeles im Spiegel seiner Abbilder quer durch die Filmgeschichte. Ein weiteres Must See für Cineasten ist Frederick Wisemans "State Legislature" über die Arbeit des Gesetzemachens im US-amerikanischen Bundesstaat Idaho. Wiseman, dessen politische Haltung durchaus nicht mit den Argumenten und Entscheidungen der Debatten in Einklang steht, beobachtet die demokratischen Prozesse nur, ohne sie zu kommentieren. Während langer 217 Minuten erhärtet sich so manches Klischee - und wird anschließend wieder aufgeweicht. Auch das beeindruckende Familiendrama "Shotgun Stories" des jungen Regisseurs Jeff Nichols arbeitet am kritischen Bild des Landes der unbegrenzten Möglichkeiten. Ein Mann stirbt und hinterlässt zwei Familien: die, die er verließ und die zweite, die er danach gründete. Die Söhne aus der jüngeren Familie wachsen wohlbehütet und begütert auf, die drei älteren haben nicht einmal Namen und kennen nur Armut und den Hass ihrer Mutter. Die Gewaltspirale, die am Grab des Vaters ihren Anfang nimmt, mutet ebenso alttestamentarisch wie alltäglich an. Wie zwei verfeindete Westernclans tragen die Halbbrüder die ungelösten Konflikte ihrer toten Elternteile aus. Unbedingt empfohlen sei hier auch "Yella", der geniale Viennale-Abschlussfilm von Christian Petzold, obwohl er später vermutlich in die österreichischen Kinos kommen wird. Wie ein Schatten legt sich ein Horrorklassiker der frühen Sechziger über das Leben einer jungen Frau aus dem Osten Deutschlands, die im gelobten Westen nach einem besseren Leben sucht, aber nur vorfindet, was sie zurück gelassen zu haben meint. Ungemein subtil verschiebt Petzold den Horror der Vorlage, bis dieser auch als innerer erkennbar wird und entreißt damit dem über vierzig Jahre alten Vorbild in Bezug auf die Verfasstheit der Gegenwart eine prophetische Aktualität. 20. bis 31. Oktober. Tickets im Vorverkauf ab 6. Oktober 2007. www.viennale.at
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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