Werbung
,

Arbeiterklasse und Termitenkünstler

Der Weg der Termite Schon seit ihren frühen Jahren in den Sechzigern des 20. Jahrhunderts setzt man bei der Viennale auf ein Nebeneinander von Filmneuheiten und Filmgeschichte. Der Idee der Durchdringung - nicht nur der Aktualität des Vergangenen mit der Geschichtlichkeit des Neuen - ist auch die schon angelaufene Viennale-Retrospektive im Filmmuseum verpflichtet. Thema ist der Essayfilm, eine ausgreifende Filmform, bei der es explizit darum geht, Genre- und Gattungsgrenzen zu durchbrechen und - wie beim Essay in der Literatur - subjektiv und kritisch zu sein. Der Kurator dieser - dem Andenken an eine Meisterin des Essayfilms, der letztes Jahr verstorbenen Danièle Huillet gewidmeten - Schau ist Jean-Pierre Gorin, ein französischer, seit 30 Jahren in den USA lebender Filmemacher und Filmtheoretiker, der selbst essayistische Filme macht und u.a. in den Sechzigern und Siebzigern mit Jean-Luc Godard zusammen gearbeitet hat. Obwohl man die Hauptblütezeit dieses Filmphänomens seit den Siebzigern ansetzt, hat Gorin einige wichtige Vorläufer ausgewählt. Der russische Avantgardist Dziga Vertov ist darunter, dessen "Mann mit Kamera" für den Kurator der erste voll durch gearbeitete Essayfilm ist. Gorin geht aber noch weiter zurück und zeigt einen Film von D.W. Griffith, "A Corner in Wheat", der ein ökonomisches Verhältnis zwischen Weizenanbau und Armut in den USA schon 1909 thematisiert. Ein drittes frühes Beispiel ist "Las Hurdes" von Luis Bunuel, ein sehr aggressiver, unterschwellig surrealistischer Film über eine sehr arme Region in Spanien. Natürlich kommen in Bezug auf das Thema unvermeidliche auteurs wie Chris Marker, Alexander Kluge, Jean-Luc Godard, Alain Resnais oder Jean-Marie Straub und Danièl Huillet zu Wort. Johan van der Keuken ist eine wichtige Figur, Leo Hervitz oder Nicole Védrès, der Chris Marker sehr viel verdankt. Das Bild der Termite auf ihrem gefräßigen Weg, die anbohrt, durchkaut und untergräbt, stammt vom Filmkritiker Manny Faber, der der "White Elephant Art", der Auffassung von "großer" Kunst, die "Termite Art" mit ihrer relationalen Ästhetik gegenüber stellte. Proletarisches Kino Während die großen Retrospektiven im Filmmuseum traditionell Weltkino repräsentieren, sind die Filmschauen des Filmarchivs im Metro Kino auf die österreichische Filmgeschichte konzentriert. Dieses Jahr geht es um "Proletarisches Kino", das bisher nur wenig wahrgenommen wurde. Ein mehrjähriges Forschungsprojekt zum Thema förderte interessante Fakten zutage. Man weiß jetzt, dass die Sozialdemokratie schon früh, nämlich ab den beginnenden 20er Jahren, die Wirkkraft des Kinos erkannt hat. Es gab eine zentrale Filmstelle, einen eigenen Verleih und eine eigene, autonome Filmproduktion. Man wollte der bürgerlichen Filmproduktion etwas entgegen stellen, die Arbeiterklasse unterhalten und aufklären, sich aber auch politisch selbst darstellen. Interessant ist der Kontrast zwischen Filmen, die im Verleih gezeigt wurden und den Eigenproduktionen. Unter den damals sehr genau ausgewählten Filmen aus Russland, Deutschland oder Frankreich sind solche, wie etwa "Kuhle Wampe", die man auch heute mit einem proletarischen Kino assoziiert. Das österreichische proletarische Kino war aber anders. Es gab nur wenige Spielfilme, keine formalen Avantgarden, aber dafür ein sehr deutlich darstellendes Kino. Der zweite, sich inhaltlich mit dem ersten überschneidende Teil der Retrospektive gilt Fritz Rosenfeld (1902-1987), dem Filmkritiker der Arbeiter Zeitung und einflussreichsten Filmkritiker der Ersten Republik, - und seiner engagierten Kritik an der bürgerlichen Filmindustrie und an der sozialdemokratischen Politik, von deren Filmen finanziell zu profitieren. Sie führte für ihn zu einem Rezensionsverbot von Kiba-Filmen. Ein Kritikerschicksal. Der Weg der Termiten. Beispiele eines Essayistischen Kinos 1909 - 2004 Filmmuseum, 1. bis 31. Oktober 2007 Katalog Eur 12,- Proletarisches Kino in Österreich Metro Kino, 20. bis 31. Oktober 2007 2 Bücher und eine DVD-Box werden im Rahmen der Viennale präsentiert: Band 1: Christian Dewald (Hg.): "Arbeiterkino. Linke Filmkultur der Ersten Republik" Band 2: Brigitte Mayr und Michael Omasta (Hg.): "Fritz Rosenfeld. Filmkritiker" Christian Dewald / Michael Loebenstein (Red.): DVD-Box "PROLETARISCHES KINO IN ÖSTERREICH", DVD 1: Arbeiter Kino 1 - Spielfilme, DVD 2: Arbeiter Kino 2 - Dokumentarfilme Ausstellung: Wilhelm Traeger – Wien 1932. Linolschnittserie, 19. bis 31. Oktober im Foyer des Metro Kinos. www.viennale.at
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: