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Die Kunst des Alterns: Zeitlos schön

Sex im Alter oder gar sexy Falten? In einer Gesellschaft, in der das 11. Gebot "Du sollst nicht altern" lautet, ist beides kaum vorstellbar. Weil vom Umgang mit dem (eigenen) Altern am allerliebsten Abstand gehalten wird. Auch in der Kunst. Diese Erfahrung machte jedenfalls die Schwazer Galerie-Chefin Karin Pernegger, als sie sich anschickte, gemeinsam mit Sabine Gamper von ARGE Kunst Bozen eine Ausstellung jenseits der Jugend zu kuratieren. Auf der Suche nach der "Kunst des Alterns" stieß man zunächst auf Demenz, Vereinsamung, Verwahrlosung. Am Ende aber doch auch auf Beispiele eines positiven, aktiven Umgangs mit dem Altern. Das geht unter die zerklüftete Haut zum Beispiel jener 80-jährigen Tochter eines russischen Fürsten, die der deutschen Fotografin Herlinde Koelbl Modell gestanden hat. Im Schwazer Teil dieses beispiellosen Ausstellungsprojektes steht das Selbstbildnis des Alters im Vordergrund. Koelbl, selbst einer älteren Generation angehörend, zeigt neben oben beschriebenem Teil aus der Serie "Starke Frauen" auch eine sechsteilige Fototafel über das Sterben ihrer Eltern. Dass "Die Kunst des Alterns" dennoch so lebensbejahend daherkommt, hat viel mit dem Werk der niederländischen Fotografin Marrie Bot zu tun. Für ihre Serie "Timeless Love" machte sie sich per Zeitungsannonce auf die Suche nach älteren Paaren, die sich in intimen Posen fotografieren ließen. Das vermeintliche Tabuthema gehört zu den berührendsten Projekten der Ausstellung. Selbstbewusst und mondän präsentiert sich auch das faltige Nackt-Modell von Andres Serrano aus der Fotoserie "Sex", die österreichische Künstlerin Ines Doujak präsentiert "Dirty Old Women" wie Schätze in einem Schmetterlings-Sammelkasten. Cindy Sherman, Miwa Yanagi, Anton Corbijn, John Coplans und das einstige deutsche Supermodel Vera Lehndorff sind mit selbst- oder fremdreflexiven Arbeiten vertreten. Und auch die bekannte Fotoserie des US-Fotografen Nicholas Nixon, der seine Ehefrau und deren drei Schwestern seit 1975 unter dem Titel "The Brown Sisters" Jahr für Jahr aufs Neue fotografiert. Louise Bourgeois und Maria Lassnig bereichern die Schau um den Aspekt der spät entdeckten Künstlerin - aber auch um Malerei und Skulptur. Derweil hat in Bozen eine jüngere Künstlergeneration das Sagen - und ist zu einem großen Teil im Bereich Videokunst aktiv. Es geht hier immer wieder um Erinnerung und die Eltern-Kind-Beziehung, etwa im Video "Elocution" (1996) von Imogen Stidworthy. Die Präsenz alter Menschen in der Familie bringt der ungarische Künstler Marcell Esterhazy im Video "v.n.p. v.2.0." (2005) ungeheuer wirkungsvoll auf den Punkt: Bei einem privaten Familienessen richtet er die Kamera allein auf den Großvater und beschleunigt den Film so lange, bis auch dieser in einer "normalen" Geschwindigkeit seine Mahlzeit einnimmt. Kommunikation mit dem Rest der Familie ist für ihn nicht nur wegen des Zeitraffers nicht möglich - sie findet ganz einfach nicht statt. Und dennoch ist "Die Kunst des Alterns" eine höchst sanfte Heranführung an das ohnehin Unvermeidliche.
Mehr Texte von Ivona Jelčić

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Die Kunst des Alterns
08.09 - 27.10.2007

Stadtgalerie Schwaz, ARGE Kunst Bozen
Schwaz / Bozen,


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