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From Russia with Love, Boris Mikhailov - Yesterday: Identitätssuche im Kurort

Im Tiroler Kitzbühel, wo vergangenen Winter die hitzige Diskussion um die Einführung einer Russenquote ihren Ausgang nahm, würde man mit solch einer Vergangenheit vermutlich weniger Vorbehalte gegen Urlauber aus Russland hegen: Meran jedenfalls, so steht`s im Katalogtext von Kuratorin Bärbel Vischer, hat schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts gute Kontakte zu Russland und den über eine direkte Zugverbindung aus St. Petersburg anreisenden Gästen gepflegt. Das macht die Präsentation einer jungen russischen Künstlergeneration zur Reminiszenz an die kurstädtische Geschichte. "From Russia with Love" will aber auch Bezüge zur Ära des Kalten Krieges herstellen; der aus einem James-Bond-Abenteuer entlehnte Ausstellungstitel spricht diesbezüglich Bände. Doch zuvor werden ein Stockwerk tiefer mit "Yesterday" Grundlagen geschaffen: Zu sehen sind Fotoarbeiten des Ukrainers Boris Mikhailov (Kurator: Valerio Dehò) aus der Werkreihe "Superimposition", in der Bilder aus älteren Serien übereinander geblendet wurden. Mikhailovs sozialdokumentarischer Blick auf sowjetische und postsowjetische Realitäten erlangt so die Ästhetik verschwommener Traum- und Erinnerungssequenzen. "From Russia with Love" widmet sich schließlich neun Positionen russischer Foto- und Videokunst, die auch an aktuellen Fragen wie Identität, Immigration und Globalisierung laboriert. Vika Begalska inszeniert sich in "Welcome" (2004) mit ihrem Englischlehrer aus Nigeria in einer Unterrichtssituation. Die gerät zum beklemmenden Verhör, das gesellschaftspolitische Rollenverteilungen ironisch umkehrt. Die Ausstellung verwehrt sich zwar einer nationalstaatlichen Kunst-Kategorisierung, als Identitätsstifter sind russische Symbolik und kommunistisches Erbe aber sehr präsent. Im Video "Way" (2003) der Gruppe Where Dogs Run schreiten vier Personen durch eine Winterlandschaft, ihre Sensen synchron über den Schnee schwingend. Nur: Was erntet man in sibirischer Einöde und aus innerem wie äußerem Zerfall? Zum Beispiel die Hinwendung zu religiösen Werten. Anatoly Osmolovsky stilisiert Brotscheiben in der Fotoserie "Breads" zu Ikonen und hinterfragt zugleich deren heutigen Stellenwert. Ein anderer Ausdruck kultureller Identität muss Haare lassen: Anna Jermolaewa verpasst in "Fur Hood" (2005) einer typischen Pelzkappe eine neue Frisur. Bezug zum System-Konflikt nimmt wiederum Vlad Mamyshev-Monroes Video "John and Marilyn" (2005), für das offenbar die britische TV-Parodie "Spitting Image" Pate stand und das die Lovestory zwischen US-Präsident und Film-Diva in bester 007-Manier dechiffriert. Die Besetzung hält zwar die Russenquote wieder niedrig, den west-östlichen Paradigmenwechsel dafür aber hoch.
Mehr Texte von Ivona Jelčić

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From Russia with Love, Boris Mikhailov - Yesterday
14.07 - 23.09.2007

Kunst Meran | Merano Arte
39012 Meran, Laubengasse 163
Tel: +39 473 212643, Fax: +39 473 276147
Email: schnitzer@kunstmeranoarte.org
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Öffnungszeiten: Di-So 10-18 h


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