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Ironie der Objekte - Ein neugieriger Blick in italienische Privatsammlungen: Domestizierte Kunst

Bei Kunstsammlern darf sich auch der Normalbürger zuhause fühlen. Vorausgesetzt, dieses Zuhause unternimmt gerade einen Ausflug ins Museum. Tatsache derzeit im Museion Bozen, das in seiner letzten Ausstellung am alten Standort (2008 wird in den Neubau übersiedelt) die Schätze prominenter italienischer Privatsammler beherbergt und sich bemüht, ihnen ein adäquates Umfeld zu bieten. Letizia Ragaglia hat mit Werken aus insgesamt 20 Kollektionen (u. a. von Tullio Leggeri, Flavio Albanese und Mariano Pichler) die fiktive Wohnung eines Sammlers eingerichtet - das Augenmerk lag auf der "Ironie der Objekte", die sich für gewöhnlich im häuslichen Umfeld ihrer Besitzer befinden, dort aber jeglicher Funktionalität entsagen und lieber Kunst sein wollen. Die Arte Povera lässt grüßen, als "historisches" Werk fristet Pino Pascalis borstige Seidenraupe "Baco da setola" (1968) ein relativ einsames Dasein im Flur. Dafür fügt sich rundherum eins zum anderen: Teppich, Stuhl, Kommode, Lampenschirme - von letzteren ein ganzes Arsenal: Da setzt Ragaglia auf Realitätsnähe, Leuchtkörper aus Künstlerhand sind eben begehrte Sammlerstücke. Nicht nur hier wurde in "Ironia domestica" (der italienische Titel bezeichnet viel treffender die häusliche Ironie) bei der Werkauswahl die Qualität zugunsten des Einrichtungskonzeptes oder der Sammler-Präferenzen hintan gestellt, damit ist die Schau trotz großer Namen streckenweise etwas handzahm ausgefallen. Flucht ist deshalb zwar keineswegs angebracht, aber Maurizio Cattelans zu diesem Zweck aus dem Fenster baumelnde Leintücher (Una domenica a Rivara, 1992) böten immerhin die Möglichkeit. Nutzen wir sie später: Lorenzo Scotto di Luzios "Big Mama 3" (2006) führt ein erfreuliches Eigenleben. Kommt man der Vitrine zu nahe, wirft sie ihren Nippes polternd aus dem Regal. Das künstlich herbeigeführte Erdbeben mimt den neapolitanischen Katastrophenfall. Erfreulich auch John Armleders zum Wandbild installierte Bartische ("Untitled", 1995) oder Hans Schabus, der mit "Leck mich am Arsch" (2006) einen Auszug persönlichen Lebens liefert: Der Fleckerlteppich ist aus ausrangierten Kleidern des Künstlers gemacht. Nebenbei dringt man in die Lebensbereiche der Sammler - und die Beziehungsgeflechte zwischen Künstlern und Käufern - vor. Thorsten Kirchhoff hat auf die Windel von Leo Pichlers Sohn einen Schwimmer in Öl gemalt. Aber nicht nur Künstler und Kunst-Voyeure rücken den Sammlern auf den Leib: Stefania Galegatis Foto-Arbeiten setzen Zwerge voraus, die beim Run durch fremde Wohnungen Spuren der Zerstörung hinterlassen, bei Valerie Hagerty bricht gar ein Blockhaus samt Bewuchs in fremde Residenzen ein. Alle anderen benehmen sich zivilisiert.
Mehr Texte von Ivona Jelčić

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Ironie der Objekte - Ein neugieriger Blick in italienische Privatsammlungen
25.05 - 02.09.2007

Museion - Museum für moderne und zeitgenössische Kunst
39100 Bozen, Dantestraße 1
Tel: +39-0471 977116, Fax: +39-0471 312460
Email: info@museion.it
http://www.museion.it
Öffnungszeiten: Di-So 10-18, Do 10-22 h


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