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Mythos Slowakei: Tatra Tahiti

Als "slawisches Tahiti" wurde die Slowakei gerne bezeichnet. Die Vorstellung umfasste weniger barbusige Hula-Mädchen, das ließ schon die harte Witterung nicht zu. Das slowakische Landvolk stand aber bei Künstlern und Intellektuellen für das Unverdorbene, Quasi-Ursprüngliche eines Menschenschlags, der mit farbenfrohen Trachten aufwarten konnte und auch nichts gegen barfüßige Tänze auf Frühlingswiesen hatte. Insofern ist das Bild nicht so verkehrt: Was Gauguin und Nolde die Südsee, waren Josef Capek und Mikulas Galanda Tatra und Fatra. Ein tschechisch-slowakisches Kuratorenteam hat es nun unternommen, dem Mythos Slowakei auf die Spur zu kommen. In enger, thematisch gruppierter Hängung werden Motive wie Matriarchat, religiöse Feste, Familienleben, Bauerntum oder auch Janosik, der slowakische Robin Hood, behandelt. Darin liegt einer der Aspekte, die die Rezeption erschweren: dass folkloristische Genredarstellungen des Spätbiedermeier kommentarlos neben kubistischen Kompositionen stehen. Ist eine Bauerndarstellung der Stalin-Zeit nicht unter völlig anderen Voraussetzungen entstanden als Janosik-Portraits der um Eigenständigkeit kämpfenden Jahrhundertwende, Karel Plickas neusachliche Fotografien und Filme, Janko Alexys lyrische Mädchenportraits und Galandas Picasso-Paraphrasen der ersten Republik? Und wofür stehen die Positionen der Gegenwartskünstler? Man mag sich einiges mit historischem Hintergrundwissen selbst klarmachen - die additive Hängung und die knappen Kommentare helfen dabei aber nicht sehr. Schön sind die Gruppierungen von slowakischen Volkskunst-Objekten wie Rechen, geschnitzten Madonnenfigürchen oder auch Pressglas-Flaschen. Unklar ist aber, welche Relevanz sie in diesem Zusammenhang haben, wo es nach den Worten der Kuratoren um die Konstruktion und spezifische Ausformung eines mythischen Bildes gehen soll. Auf die Frage, ob und wie sich der Mythos Slowakei von anderen national-folkloristischen Idealvorstellungen des 20. Jahrhunderts etwa in Österreich und Deutschland unterscheidet, kann die Ausstellung keine klare Antwort geben. Immer spiegen sich in den Exponaten aber unterschiedliche Positionen der mitteleuropäischen Moderne. Und das lohnt allemal.
Mehr Texte von Iris Meder †

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Mythos Slowakei
20.04 - 05.08.2007

Moravská galerie
662 26 Brno, Husova 18
Tel: +420 532 169 111, Fax: +420 532 169 181
Email: info@moravska-galerie.cz
http://www.moravska-galerie.cz/en/
Öffnungszeiten: Mi-So 10-18, Do 10-19 h


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