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Edvard Munch. Zeichen der Moderne: Gegen den Widerstand der Materie

Das Werk "Der Schrei" des norwegischen Künstlers Edvard Munch gilt als das Initiationsbild des Expressionismus und hinterlässt durch seine Eindringlichkeit, die in sich die Grundzüge menschlicher Existenz wie Einsamkeit, Liebe und Tod in einer psychologischen Direktheit vereinigt, einen nachhaltigen Eindruck. Doch nicht eine der vier Fassungen von "Der Schrei" steht im Mittelpunkt der Ausstellung "Edvard Munch, Zeichen der Moderne", sondern Schlüsselpositionen seiner intensiven Auseinandersetzung mit der Bildmaterialität wie "Das kranke Kind" (1896), "Madonna" (1894/94), "Selbstporträt in der Hölle" (1903). Der Kurator und Munch-Spezialist Dieter Buchhart begibt sich auf die Spur einer Neuentdeckung Munchs und rekonstruiert durch Werke aus 50 öffentlichen und 50 privaten Sammlungen, wie das Bildmaterial als ein Syndrom der Moderne im Werk Munchs an Zeichenhaftigkeit gewinnt. Bereits in den frühen Werken von Edvard Munch zeichnet sich ein transmedialer Umgang mit unterschiedlichen Medien wie Malerei, Fotografie, Zeichnung und Druckgrafik ab. Das Moment des Zufalls und Zerfalls wird nicht verleugnet, sondern zu einem integralen Bestandteil des Prozesses, Kratzspuren und Einwirkungen durch Regen und Schnee zeichnen so nicht Spuren einer ungewollten Zerstörung, sondern wurden von Edvard Munch als Transformationen der Materie akzeptiert. Die an die 130 Gemälde und 80 Zeichnungen umfassende Ausstellung verläuft durch alle Schaffensperioden des Künstlers und markiert dessen Bruch mit dem skandinavischen Naturalismus. In der Ausstellung wird thematisiert, wie Edvard Munch Bilder aggressiv attackierte, zerriss, sie mit Füßen trat und zerknüllte und die daraus resultierenden Beschädigungen zu einem integralen Bestandteil seines Arbeitsprozesses machte. Die Möglichkeit des Scheiterns stellt sich als konzeptueller Teil von Edvard Munch auf der Auseinandersetzung mit Materialien basierenden Modernität heraus. Die Figuration hatte Edvard Munch in all seinen Entwicklungsphasen nie aufgegeben, er weigerte sich, den Schritt zur Abstraktion zu vollziehen. Doch die Ausstellung "Edvard Munch, Zeichen der Moderne" räumt mit dem Missverständnis auf, er hätte der Moderne gegenüber Widerstände geübt und zeigt vor allem Munchs Umgang mit Materialien und dessen Radikalität in der Darstellung von Porträts, Badeszenen, weiblichen Akten und dem Motiv der Madonna. Für seine Angriffe der physischen Intaktheit der Farbauflagen wird der Begriff der Rosskur herangezogen. Munch setzte infolgedessen seine Werke der natürlichen Witterung aus, um den Alterungsprozess zu beschleunigen und gleichzeitig den Faktor Zeit, Verfall und Vergänglichkeit ins Spiel zu bringen. In dem Gemälde "Mädchen auf dem Pier" behandelte Munch markant die Leerstellen durch Überarbeitungen. Der Einsatz von Transparenz ist im Werk von Munch sowohl optisch, haptisch, als auch illusionistisch und weist die Modernität Munchs als ein Wechselspiel von Immaterialität und Materialität aus. Munch experimentierte mit dem Material und Motiv in einer sich permanent verändernden Kombinatorik und Brüchigkeit im Sinne des Fragmentarischen. In seinem Spätwerk mutiert das Prozesshafte und Temporäre im Sinne eines physischen Verschwindens der Materie zu einem Ausdruck von Vergänglichkeit. Edvard Munchs Werk funktioniert hier eindrucksvoll als eine Markierung und als Alternative zur Geschichte der Abstraktion in der Moderne.
Mehr Texte von Ursula Maria Probst

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Edvard Munch. Zeichen der Moderne
18.03 - 22.07.2007

Fondation Beyeler
4125 Riehen / Basel, Baselstrasse 101
Tel: +41 - (0)61 - 645 97 00, Fax: +41 - (0)61 - 645 97 19
Email: fondation@beyeler.com
http://www.beyeler.com
Öffnungszeiten: Mo-So 10-18, Mi 10-200 h


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