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52. Biennale von Venedig - Arsenale: The Time is Now?

Mit dem Titel "Think with the Senses - Feel with the Mind. Art in the Present Tense" appelliert der Direktor der 52. Biennale Robert Storr an ein reflexives und intuitives Kunsterleben und wählt dafür im Arsenale als kleinsten gemeinsamen Nenner eine Stimulierung durch politisierte Sujets. Robert Storr ursprünglich selbst Künstler, ging als Kurator und Kritiker aus dem antimodernistischen, feministischen Umfeld der Künstlerin Louise Bourgeois hervor und zählt heute zu den renommiertesten amerikanischen Kunsttheoretikern mit Yale, MoMa und Philadelphia Museum of Art Reputation. Robert Storr, der ansonsten nicht das Konfliktpotential und die diskursiven Ränder der Kunst scheut, setzt in den weitläufigen Hallen des Arsenales auf das ambivalente Terrain einer Politisierung von Kunst, die Formalismen, sowie eine Ästhetik des Geschmacks vermeidet. Wie sehr die diesjährige Biennale in Venedig darum bemüht ist, sich mit der 3. Station in diesem turbulenten Kunstsommer nämlich der Documenta 12 zu messen und künftige Kooperationen zu forcieren, spiegelt sich in dieser kalkulierten Konzeption wider. Im Arsenale versammeln sich Werke von KünstlerInnen aus sieben Kontinenten, die sich einem programmatischen repräsentativen Ausstellungsdisplay, Hierarchisierungen und Machtstrategien entziehen. Robert Storr ist sich seiner politischen Verantwortung gegenüber einem amerikanischen Imperialismus und einer Paranoia des Bösen Gegenposition zu beziehen, äußerst bewusst. Unbewusst dürfte er allerdings von den amerikanischen Zensurgebärden traumatisiert sein und holt nun in Venedig auf, was in amerikanischen Ausstellungen durch die konservative Bush-Administration verhindert wird. Fotografien von stacheldrahtumzäunten Lagern, verminten Kriegsgebieten, Kriegsruinen, Terrorismusphobien, australischen Gefängnisanlagen und Inszenierungen der Kriegsfotografie durchziehen als Szenarien des Ausnahmezustandes den vorderen Abschnitt des Arsenales. Indem Robert Storr zum Teil dezidiert politische Positionen durch Werke von KünstlerInnen wie Melik Ohanian, Riyas Komu, Rosemary Laing, Gabriele Basilico, Tomer Ganihar, Elaine Tedesco, Pavel Wolberg, Paula Trope oder Paolo Canevari einfordert, dominiert ein rhetorisches Gewissen, welches auf Kosten ästhetischer Intensitäten eine Tendenz zum Dokumentarischen oder zur Inszenierung speziell in der Fotografie zeigt. Zu sehr wird bereits der mediatisierte Blick mitgedacht, eignen sich die Fotografien bestens für Reproduktionen in Kunstmagazinen. Einem gedrängtem Zeitplan kommt dieser Hang zur Fotografie und Installation entgegen. Ein alltäglicher Kampf in welchen sich die existentielle Frage nicht nach Wahrheit, sondern nach dem Überleben durch Aggression und Gewalt stellt, gelangt in dem Video "Shadow Boxing" (2004) von Sophie Whettnall zum Ausdruck. Emily Prince gibt in ihrer Wandinstallation "American Servicemen and Women Who Have Died in Iraq and Afghanistan (But Not Including the Wounded, Nor the Iraqis nor the Afghanis)" (2004) den in den US-Medien totgeschwiegenen Gefallenen ein Gesicht. Anhand einer US-Landkarte rekonstruiert sie die Anzahl der Gefallenen und ordnet sie den Bundesstaaten zu. Der Patentfrage, ob die Kalashnikov-Maschinengewehre eine bulgarische oder russische Erfindung sind, geht der Künstler Nedko Solakov in seiner Installation "Discussion (Property)" (2007) mit komplexer Ironie nach und zieht die Aufmerksamkeit an sich. VALIE EXPORTs, Franz Wests und Ilya & Emilia Kabakovs Installationen wirken im Umfeld meist junger Künstlerpositionen wie Klassiker subtiler Strategien im Transfer medialer, linguistischer oder politischer Decodierungen. Rainer Ganahls Fotoserien zu politisch ambitionierten Vorträgen wie “Linda Nochlin, Glory and Misery of Pornography, colloquium "fémininmasculin", Les Revues Parlées, Centre Georges Pompidou, Paris, 2/2/96" münden in dessen Statement "I’m not a terrorist". Francesco Vezzolis Video "Democrazy" (2007) ist ein spannender Beitrag zur Analyse wie schrill und kalkuliert amerikanische Wahlkampagnen funktionieren und wie absurd es wirkt, deren Imagekonstruktion auf SchauspielerInnen oder Philosophen anzuwenden. Ebenfalls auf dem Gelände des Arsenales in der Artiglierie befindet sich der Afrika Pavillon in welchem unter dem Slogan "Check List-Luanda Pop" ein befreiendes Statement gegen Nationalismen und Ideologien abgegeben wird und Kuratoren wie Fernando Alvim und Simon Njami sich auf die Suche nach einer Kunst begeben in der Ästhetik als Werkzeug der Existenzbewältigung popig hinterfragt wird.
Mehr Texte von Ursula Maria Probst

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52. Biennale von Venedig - Arsenale
10.06 - 21.11.2007

La Biennale di Venezia - Arsenale & Giardini
30122 Venezia,
http://www.labiennale.org
Öffnungszeiten: täglich 11 - 19 h, Fr, Sa bis 20 h,
Montag geschlossen außer 25/07, 15/08, 5/09, 19/09, 31/10, 21/11


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