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Die Messen rund um die ART BASEL: Kunstgewusel unter Mutter-Aufsicht

Der gerade begonnene `Grand Tour`-Kunstsommer zeitgt schon die ersten Verschleißerscheinungen bei seinen Teilnehmern. Die am häufigsten gehörte Frage am Montag lautete in Basel: "Die (Messename einfügen) fängt doch erst morgen an, oder?" Denn zwischen Venedig, dem Beginn der Muttermesse Art Basel und der Documenta werden die Termine knapp, und alle wollen die ersten sein beim Griff in die anscheinend allzu weiten Spendierhosen des internationalen Kunst-Jet Sets. Die auf Einladungskarten und im Internet bekanntgegebenen Zeiten der Pre-VIP-Previews erwiesen sich jedenfalls allesamt als Makulatur. Die ersten Kunden fanden allerorten bereits gegen 11 Uhr Einlass. Das ging soweit, dass auf der eigentlich noch gar nicht eröffneten Liste kurz nach 13 Uhr das Gerücht umging, auf der nach Plan später beginnenden Volta Show wäre bereits praktisch alles verkauft oder reserviert. Ganz so dramatisch war es denn doch nicht. Allerdings brummt das Geschäft tatsächlich in einem fast beängstigenden Ausmaß. Echte Neuentdeckungen sind dabei eher selten. Gezeigt wird, was sich verkaufen lässt, und das ist meisten eben doch schon irgendwie etabliert. So hat Grimm/Rosenfeld aus München und New York eine Skulptur von Felix Schramm dabei, eine Art Modell von ineinandergeschossenen Räumen. Für sie liegen bereits zwei Reservierungen privater Sammler vor. Schramm erhielt letztes Jahr den Piepenbrock-Preis und blickt auf eine Einzelausstellung im MoMa San Francisco. Bei Leo Koenig aus New York hängt ein ganz frisches Großformat von Norbert Bisky, zum Preis von immerhin 45.000 Euro. Einer der schmerzlichsten Ausverkäufe ist das Video von Sigalit Landau, die am Strand von Tel Aviv nackt einen Hoolahoop-Reifen aus Stacheldraht schwingt. Obwohl die Liste als Mutter der Nebenmessen gelten darf, hat sie ihren Berliner Rough Style perpetuiert. Die verwinkelte Architektur und der provisorische Eindruck, den die ganze Veranstaltung - inklusive der Organisation - machen, sind allerdings Programm. Hier wird eben keine Studentenkunst zu Einsteigerpreisen gezeigt. Mid career artists nennt man das wohl heute. Deshalb darf es dann etwas teurer sein. So kostet der "Haarige Tempel" des Düsseldorfers Alex Koschkarow satte 40.000 Euro. Der ein Duchamp-Ready Made auf seiner Nase balancierende Seehund des Australiers Michael Parekowhai ist für 45.000 Dollar zu haben, bei einer Auflage von 5. In dem ganzen Zirkus fällt ein Video von Guido van der Werve (Galerie Juliette Jongma Amsterdam) auf, in dem ein Mann in unwirklich vernebelter Landschaft vor einem Eisbrecher auf den Betrachter zuzulaufen scheint, ohne ihm näher zu kommen. Da ist plötzlich Ruhe, und die Erhabene Landschaft grüßt aus der Ferne der Kunstgeschichte ganz unaufdringlich und in modernem Gewand herüber. Nach dem Preis möchte man da gar nicht fragen, ist ja auch nicht wichtig. Die Scope läuft unter den Begleitmessen eher außer Konkurrenz, ist sie doch eine Art Salon der Refüsierten. Hier kommen viele etablierte Galerien unter, die auf der Art Basel keinen Platz gefunden haben. Oder, wie es eine deutsche Galeristin ausdrückt: "Das ist hier so `ne Kindermesse. Aber jeder darf mitmachen." Gar nicht kindlich sind hingegen manche Preise. So kosten die `großen` Abzüge (Format 65 x 50 cm) der geschmäcklerischen Kinderaufnahmen von Loretta Lux bei ihrer New Yorker Galerie aus einer 7er-Auflage 35.000 Dollar. Ein immerhin 3 Quadratmeter großes Foto (Auflage 5) von Ruud van Empel kostet beim Kollegen von der Styx Gallery 40.000 Euro. Aber es geht auch preiswerter (s. Abbildungen). Bisweilen wird dabei allerdings die Grenze zum Kitsch überschritten, jedoch nicht so, dass es wirklich stört. Dazu trägt die aufgeräumte Übersichtlichkeit der Messe bei, die in einem ehemaligen Zolllager untergebracht ist und sich auf rund 50 Aussteller beschränkt. Mit weniger Pomp eröffnete - ebenfalls zu ungeklärter Zeit - die Leistungsschau für Großprojekte der Art Basel ihre Pforten. Das dürfte nicht zuletzt am unsicheren Wetter gelegen haben, das die Party zur Art Unlimited auf dem Messeplatz verhinderte. Drinnen und draußen scheint man allerdings weiterhin mit aller Macht beweisen zu wollen, dass es eben doch auf die Größe ankommt. Anders ist das Alterswerk Paul McCarthys, ein gartenzwerghafter Weihnachtsmann mit Analstöpsel in megalomanen Dimensionen, jedenfalls kaum zu erklären. Ebenso wird nicht klar, warum Superflex den Designerstuhl in 80-facher Ausfertigung ansägen musste. Dafür enttäuschte der Inneraum etwas durch seine Kleinteiligkeit. Neben Videokabinen gibt es eine Reihe von Rauminstallationen, die eben doch Kojenwände erfordern und die ehedem weiträumige Großzügigkeit vermissen lassen. Zumindest in Sachen Preisen und Promi-Faktor stehen die Kinder der Mutter in nichts nach. Bei der Auswahl können sie jedoch noch hinzulernen. Denn sonst wird der Sekundärmarkt die Korrektur übernehmen, und dann gibt es auf Käuferseite eine ganze Menge langer Gesichter.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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Die Messen rund um die ART BASEL
12 - 17.06.2007

Art Unlimited, Liste, Scope und Volta
4010 Basel,


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