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Sigmar Polke - Eine Retrospektive, Markus Huemer - Hätte auch wieder eine gute Ausstellung werden können...: Kapitalistischer Manierismus

Den Herren Frieder Burda, Josef Froehlich und Reiner Speck ist es zu danken, dass auch Wien endlich eine Sigmar Polke-Retrospektive hat. Die drei sind nämlich als wichtige Polke-Sammler die alleinigen Leihgeber der von Götz Adriani kuratierten Schau, die bis Mitte Mai bereits im Museum Frieder Burda zu sehen war. An der ersten Station wurde der Retrospektive bereits bescheinigt, eine brauchbare solche zu sein, wenngleich ihr ein wichtiges Element der polkeschen Kunst abgehe, die Fotografie. Alles kann man scheinbar nicht auf einmal haben. Bescheiden wir uns also mit dem Vorhandenen. Und da kann die Schau schon recht punkten: Nicht nur mit einer Reihe von Raster-Bildern, die Sigmar Polke ab 1963 malte und mit deren Machart er ironisch die Konstruiertheit der scheinbar authentischeren Medienbilder durch Malerei offenlegte. Der Querschnitt durch das vielgestaltige Werk des notorisch Originellen umfasst natürlich auch sein berühmtestes Bild "Höhere Wesen befahlen: rechte obere Ecke schwarz malen" von 1969. Bekanntlich machte sich der Erfinder des "Kapitalistischen Realismus" mit diesem Werk über die quasireligiösen Künstlermythen vom Genie, das seine Eingebungen von höherer Stelle erhält, ganz gehörig lustig, eine Glanzleistung, durch die im kritischen Reflektieren die Malerei der Malerei gerettet wurde. Gerade heute, wo manchen das Befüllen von Leinwänden mit allen Buntfarben schon eine künstlerisch Großtat ist, kann man Polke für Derartiges nicht genug bewundern. In dieser Schau bietet sich die Chance, eine künstlerische Individualität zu studieren, die feinsinnigst das Geheimnis zu balancieren weiß, das der Dialektik jeder Vorstellung von Wirklichkeit innewohnt. Eine ziemlich gute Entscheidung war es, die Polke-Retrospektive zeitgleich mit einer Ausstellung des 1968 in Linz geborenen, aber in Berlin lebenden Malers und Medienkünstlers Markus Huemer, seines Zeichens der Erfinder des "Medialen Manierismus", zu eröffnen. "Hätte auch wieder eine gute Ausstellung werden können..." heißt sie und bezieht sich stark auf Polke. Markus Huemer geht von Polkes (inter-)medialen Untersuchungen aus und denkt sie mit Bezug auf die Neuen Medien weiter. So paraphrasiert er beispielsweise das erwähnte Polke-Bild von 1969 in einer Lichtinstallation mit dem Titel "Polkes höhere Wesen befahlen... (unvollendet)", dessen hellem, projiziertem Rechteck die schwarze Ecke fehlt. Auf einer Reihe von Gemälden, alle in den Farben Schwarz, Weiß, Grau oder Windows-Standardblau gemalt, sehen wir unter Titeln wie "Neue Bösartigkeit" je einen oder mehrere Vögel auf leerem Grund, von denen wir erst in Huemers Manifest erfahren, dass sie die Punkte aus Polkes Rasterbildern mit zugefügten Beinchen sind: Das sind die Vögelchen der Auguren und die stehen im Universum des geisteswissenschaftlich gebildeten Künstlers für etwas Ähnliches wie Polkes höhere Wesen, sind quasi Sendboten des "Göttlichen", selbstverständlich ironisch gebrochen. Für eine andere Installation ließ Huemer leibhaftige Vögelchen, angestrahlt von Scheinwerfern, ein bewegliches Schattengemälde und - mit ihrem Fallengelassenen - frei nach Jackson Pollock ein Drop-Painting produzieren. In die Installation "Irgendein Klassiker" wird dafür der Besucher mit eingeschrieben: Sein Weg wird gemessen und gezählt und via Computer als Farbkleckse auf der großen Leinwand ausgespuckt. Wie Polke hinterfragt Markus Huemer die Mechanismen, nach denen die Werke unserer Kunstheroen, auch Polkes, entstanden, Selbstironie und -bezüglichkeit mit inbegriffen. Wie Polke schafft es Huemer mit komplexen Arbeiten originell zu sein, die dem Betrachter Humor und Geist abverlangen und trotzdem einen Rest Geheimnis wahren. Was wollen wir mehr?
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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Sigmar Polke - Eine Retrospektive, Markus Huemer - Hätte auch wieder eine gute Ausstellung werden können...
22.06 - 07.10.2007

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