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Künstlerkritik und Kreativität

Kreativität als Kritik schien diskreditiert: Flexibel, authentisch und mobil, gegen den grauen Fabrikalltag und für die bunte Vielfalt der Lebensgestaltungen zu sein, eine solche Haltung nannten Luc Boltanski und Ève Chiapello die "Künstlerkritik". Und sie zeigten, dass von dieser Form der kreativen Kritik seit 1968 das mit hervorgebracht wurde, was sie bereits im Titel ihres viel diskutierten Buches anprangerten: "Der neue Geist des Kapitalismus" (dt. 2003). Die These von Boltanski und Chiapello durchzieht den gesamten, von Gerald Raunig und Ulf Wuggenig herausgegebenen Sammelband "Kritik der Kreativität". Dabei macht Stefan Nowotny gleich zu Beginn deutlich, dass eine wirkliche Kritik der Kreativität, die beiden Begriffen gerecht würde, dem Ansatz von Boltanski und Chiapello "schwerlich zu entnehmen" sei. Und Maurizio Lazzarato hebelt deren Analyse auf anderer Ebene aus: Durch die sechs Worte der Parole der französischen Kulturprekären (Intermittents), "Pa de culture sans droits sociaux" ("Keine Kultur ohne soziale Rechte"), habe die Abgrenzung der "Künstler-" von der auf soziale Sicherheit abzielenden "Sozialkritik" quasi über Nacht "theoretisch wie politisch zu funktionieren aufgehört." Um die Rettung der Kreativität geht es den AutorInnen allerdings auch nicht. Denn allzu offensichtlich sind jene Prozesse, die ehemals originär künstlerische Praktiken zu ökonomischen Standortfaktoren gemacht haben. Mit künstlerischen Vorgehensweisen sei heute im besonderen Maße die "Hoffnung auf wirtschaftlich verwertbare Innovation" (Beatrice von Bismarck) verbunden. In verschiedenen Beiträgen finden daher sowohl theoretische als auch empirische Untersuchungen der "Creative Industries" statt: Raunig beschreibt, wie es von der Klage über die Passivierung der Subjekte, die der Begriff der "Kulturindustrie" (Horkheimer/Adorno) beschreibt, zur Feier ihrer Aktivität in den "Creative Industries" kommen konnte. An konkreten Beispielen in Wien (Monika Mokre) und London (Angela McRobbie) wird beschrieben, was unter Kreativökonomien eigentlich zu verstehen ist und wie sie funktionieren. Kreativität jedenfalls, so die Herausgeber, fungiert als "postfordistische Subjektivierungsweise". Auf die Frage, wie diese Herstellung und Selbstkonstituierung der Leute einzuschätzen ist, bietet der Band formal wie inhaltlich verschiedene Antworten. Keine davon setzt allerdings auf diffamierende Untertöne á la Boltanski/Chiapello. Gerald Raunig/Ulf Wuggenig (Hg.) Kritik der Kreativität Wien 2007 (Verlag Turia + Kant). www.turia.at
Mehr Texte von Jens Kastner

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