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Kolo Moser 1868-1918: Individuelle Würfelnattern

"Ungemein individuell", so befand der Literat Gustav Meyrink, sei es, wollten die Würfelnattern endlich gestehen, dass sie gar nicht vom lieben Gott, sondern von Kolo Moser entworfen seien. Das Individualgewürfel der Wiener Werkstätte war der dernier cri der Hautevolée und Meyrinks Satire eines Karl Kraus würdig. "Alles ist Grafik", möchte man in Anlehnung an einen heimischen Architekten beim Rundgang durch die große Kolo-Moser-Retrospektive des Leopold Museums ausrufen. Die Flächenkunst regiert, in Mosers großartiger Gebrauchsgrafik, Banknoten und Briefmarken (mit einem tumb aus der Geometrie schauenden Kaiser Karl), in zoomorphen Tunkpapieren, stylishen Kinderbüchern, in den Gemälden, die einen Schwerpunkt der Schau bilden, in Bühnenbildern für Isadora Duncan und sogar in Innenraumgestaltungen und Möbeln von Mosers Zeichentisch, etwa dem kurzlebigen Gesamtkunstwerk der erst jüngst identifizierten Wohnung Eisler von Terramare. Der moderne Augenblick wird Ewigkeit, die Utopie eines perfekten Mikrokosmos immer wieder versucht, in der Villenkolonie Hohe Warte ebenso wie im Projekt Wiener Werkstätte. Es entstehen surreale Schablonenmuster für Wände und Böden und abgedrehte Stücke wie der Eckschrank "Die verwunschenen Prinzessinnen" mit kunstvollst intarsierten Innenseiten. Die Weltfremdheit derartiger Luxusgüter sah Moser selbst ein und verließ die Wiener Werkstätte schon bald, da er nicht nur "für die Nachwelt schaffen" wollte, wie er in einem Brief an seinen symbiotischen Freund Josef Hoffmann klarstellte. Der sehr empfehlenswerte, ausführliche Katalog bietet hier fundierte Hintergrundinformationen. Welche Fortsetzung das Werk des 1918 verstorbenen Moser gefunden hätte, muss Spekulation bleiben. Für Mosers in der Schau ebenfalls gewürdigte Frau Ditha, begnadete Grafikerin auch sie, bot die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg wohl wenig Anreize: Ihre künstlerische Tätigkeit setzte sie in den 50 Jahren, die ihr nach Mosers Tod blieben, nicht mehr fort.
Mehr Texte von Iris Meder †

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Kolo Moser 1868-1918
25.05 - 10.09.2007

Leopold Museum
1070 Wien, Museumsquartier
Tel: +43 1 525 70-0, Fax: +43 1 525 70-1500
Email: leopoldmuseum@leopoldmuseum.org
http://www.leopoldmuseum.org
Öffnungszeiten: Mi-So 10-18 h


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