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Harry Weber zum Abschied

Wann immer man Harry Weber traf, hatte er seine Kamera schussbereit in der Hand. Jeden Moment konnte ja ein Motiv daher kommen, das es festzuhalten galt. Ihn haben Menschen interessiert, Menschen aller Hautfarben, aller Herren Länder, aller Religionen. Kinder, Frauen, Männer, bei der Arbeit, beim Spiel, beim Feiern. Vielleicht war er auch deshalb ein so guter Theaterfotograf, er wusste um Alles. Um menschliche Freuden und Nöte, um menschliches Leid und Sehnsüchte, um Angst und Glück. Ihn bei Fotoproben, beispielsweise bei den Salzburger Festspielen, zu beobachten war faszinierend, man erlebte einen völlig auf das Bühnengeschehen konzentrierten Menschen, der aber trotzdem bemerkte, was um ihn herum geschah - die "Randbilder" nannte er das, die urplötzlich zu "Hauptbildern" werden konnten. Er wollte auf Umstände und Zustände aufmerksam machen, er konnte blitzschnell reagieren und doch hatte man bei seiner Arbeit immer das Gefühl von Ruhe und nicht von Nervosität. Obwohl er davor nicht gefeit war, besonders wenn er nichts zu tun hatte, oder wenn er sich missverstanden fühlte, konnte er nervös werden, ja ungeduldig, sogar ungerecht. Er verlangte von sich das Äußerste und letztlich verlangte er das auch von seinen Mitmenschen. Die allgemeine Gleichgültigkeit konnte er schwer ertragen. "Gute" Fotografie war für ihn zunächst einmal Schwarzweiß-Fotografie und "das, was man im Leben vor sich sieht, wenn man es dokumentiert" - denn er sei nicht gut im Reden, meinte er, also müsse er mit seinen Fotos Geschichten erzählen. Seine "Randbilder" finden, um das auszudrücken, was ihm wichtig war im Leben: beobachten und mitteilen. Und jeder, der seine Bilder sah, ob in Illustrierten, für die er arbeitete, in zahllosen Ausstellungen in aller Welt, oder in ebenso zahllosen Büchern, verstand, was er erzählte, war betroffen, belustigt oder wurde nachdenklich. Harry Webers Bilder lassen einen nicht los, sie sind ein Stück Leben, wie es um uns ist und wie wir es verlernt haben selbst zu sehen. Er hat uns die Augen aufgemacht, er hat uns gelehrt, hin-zu-sehen und nicht weg-zu-sehen. Er wollte uns aufwecken und uns zeigen, wie schön und lebendig die Welt ist, aber auch wie traurig und wie ungerecht. Doch trotz seines hohen Anspruches und seines großen Engagements, er hat nie mit dem erhobenen Zeigefinger operiert, sondern mit Menschlichkeit. Er hat mit liebevoller Neugier aufgezeigt, was ihm wichtig war zu erzählen und richtig erschien ins Bild zu setzen. Immer wieder wollte er das Andere zeigen, das Fremde, das, was wir so leichtfertig ablehnen, weil wir es nicht kennen und uns auch nicht bemühen es kennen zu lernen. Er war selbst ein "Anderer" als er, der 1921 in Klosterneuburg geboren worden war, mit 17 aus seiner Heimat vertrieben wurde, als Palästina zum rettenden Anker wurde und er schließlich als Soldat der englischen Armee gegen Nazideutschland kämpfte. 1945 fand er seinen Vater wieder, 1946 kehrte er nach Österreich zurück, und traf in Salzburg seine Frau Marianne, die ihm zeitlebens menschlich und fotografisch Hilfe und Beraterin war. Harry Weber wurde geehrt, er erhielt alle hohen Würdigungen und Orden, die Österreich zu vergeben hat, und das freute ihn auch. Aber glücklich war er nur, wenn ihm ein gutes Bild gelungen ist, wenn er im Foto zeigen konnte, was er innerlich fühlte.
Mehr Texte von Angelica Bäumer

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