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Blicke, Passanten - 1930 bis heute. Aus der Fotosammlung der Albertina: Akquisitionen mit und ohne Aktion

Es ist ein Phänomen, mit dem man Namen wie Henri Cartier-Bresson oder Lisette Model assoziiert: Geht es um Street Photography, wundern wir uns nie über Leute, die uns den Rücken zukehren oder über Bildausschnitte von laufenden Beinen auf New Yorks 42nd Street. Bewegungsunschärfen, Überlagerungen durch Spiegelbilder in Schaufenstern oder Fokussierungen auf den scheinbar nebensächlichen Hintergrund sind uns allemal willkommen, solange das Foto eines zum Ausdruck bringt: Die subjektive Neugier und zugleich die Flüchtigkeit eines Vorübergehenden, der zufällig vorhandene Fragmente eines Hier und Jetzt zu einem Bild gelieren ließ. Oder sie vielleicht auch erst erschaffen hat? Eine Auswahl der in den letzten Jahren neu erworbenen Fotografien der Albertina folgt dem passantischen Blickgeschehen in sieben Kapiteln vom taghellen Boulevard bis tief in die Nacht und die hintersten Winkel der Peripherie. Was unterscheidet die New Yorker Straßenszenen der Wienerin Lisette Model aus den Vierzigern von denen der New Yorker William Klein aus den Fünfzigern oder Joel Meyerowitz aus den Siebzigern? Der persönliche Stil? Die Mode der abgebildeten Passanten? Die Farbigkeit? Viel wichtiger erscheint, was sie einander ähnlich macht: die lakonische Erhebung des Alltäglichen zum Mittelpunkt des Interesses, wenigstens für die Sekunde, die das Betätigen des Auslösers in Anspruch nahm. Sind die Motive auch lapidar und alltäglich, langweilig werden die Fotos nie. Ist es das Wissen um das Ungestellte, Authentische, das uns so bei der Stange hält? Nichtsdestoweniger sind immer wieder auch bildnerische Leitideen auszumachen. Nicht ohne Grund wurden für die Ausstellung Fotoserien bevorzugt. Auf den sehr säuberlich geordnet aussehenden Fotos von anonymen Orten in Berlin-Mitte des Deutschen André Kirchner etwa sind gar keine Passanten zu sehen. Auch die kahle Ossi-Tristesse von Seiichi Furuyas Fotos mit Ost-Berliner Motiven macht eine die Auswahl bestimmende Haltung deutlich. Obwohl die Benennung mancher Kapitel wie "Sichtbare Zeit", "Dunkle Bilder" oder "Verrückter Alltag" erkennen lässt, dass sehr viel Wert auf die Verästelungen und Weiterführungen des Phänomens gelegt wurde, ist es nicht allein die Bandbreite, die "Blicke, Passanten" zur ästhetischen Slow Burn-Sensation macht. Vielmehr liegt das daran, dass die Auswahl den an sie gestellten Anspruch mit jedem Stück einlöst: das fotografische Sehen an sich zu thematisieren, eine Grundfrage des Mediums, was dieses Sehen bestimmt, vor jeder Fotografie aufs Neue spannend zu stellen.
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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Blicke, Passanten - 1930 bis heute. Aus der Fotosammlung der Albertina
16.05 - 09.09.2007

Albertina
1010 Wien, Albertinaplatz 1
Tel: +43 1 534 83 -0, Fax: +43 1 533 76 97
Email: info@albertina.at
http://www.albertina.at
Öffnungszeiten: Tägl. 10-18h, Mi 10-21 h


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