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Tension; Sex; Despair - Aber hallo/na und: Wieviel Blut passt in einen Tampon?

Der Pressetext lässt theoretische Big-Mac-Happen erwarten: "Die Ausstellung soll formalistischen und minimalistischen Tendenzen in zeitgenössischer Kunst ...nachspüren... Außerdem sollen einschlägige Dichotomien von Hoch- und Massenkultur, Avantgarde und Kommerz, Original und Kopie ebenfalls einer kritischen Untersuchung unterzogen werden." Der Raum ist groß - es passt viel rein. Sechs unterschiedlich geräuschintensive Video- bzw. Installationsprojetktionen fordern ihr Recht. Die am lautstärksten auftretende, "Titankatzen" (Albert Oehlen/ Schorsch Kamerun/ André Butzer/ Michael Dreyer/ Der Basken-Carlos) ist immerhin zusammen mit der fragil anmutenden Installation "Crime scene" von Gardner Woods mit einem zweigeteilten Separée in eine Ecke verbannt worden. Daneben verlangen weitere 27 Positionen und eine Kollaboration Aufmerksamkeit. Für die Choreographie der Ausstellung ist dem Kurator Anerkennung auszusprechen - von dem überbordenden Geräuschteppich einmal abgesehen, der manche Videos schlicht verschluckt (für die Arbeiten von Gregor Eldarb und Ian Suvenious wünscht man sich ein Hörrohr) kann man, hat man die schnäppchenschlingige all-event-Panik der Ankunft erst einmal verdaut, jede Arbeit für sich wahrnehmen. Der Titel der Ausstellung, verrät der Kurator, war eh eher ein Arbeitstitel. "Potpourri" oder "extents of my space´s friends" wäre ja auch zu kompliziert und dann wieder zu wenig theorieglaubwürdig. Also Sex: allgemein eher dezent. Die Pin-up-Posen, die Matthew Wilkinson per Photoshop in verschiedene Interieure montiert, sind partikular, man sieht nicht viel - Beine mündend in Podestschuhen- das eigentliche Nackte schwiemelt, grob abgeschnitten, in die Betonwand, das Treppenhaus oder die Bodendielen hinein. Der Anspannungsreiz ist nicht direkt - er wirkt vielmehr wie ein Zitat, ein Verweis auf etwas, das woanders ist, eine Sekundärerfahrung. Ein markantes weiteres Beispiel hierfür ist ein Film von Anna Artaker, der neben dem Duschabfluß einen vollgesuppten Tampon zeigt, welcher in bräunlich-unaufgeregter Verfassung das niederprasselnde Wasser anfänglich nicht einmal färbt - bis sich ein Fuß in die Szenerie schiebt und den Tampon ausquetscht. Da kommt eine Menge Rot raus. Der Fuß drückt ein halbes dutzend Mal zu, bis der Tampon allmählich ins Watteweiß zurückfindet. In dieser Arbeit wird die Quantität eines körperlichen Regelmaßes mit sehr einfachen Mitteln neu erfahrbar, lapidar und gerade darin erstaunlich packend. Von Ulla Rossek findet sich eine Skulptur aus Drahtgittern, rechtwinklig zueinander angeordnet, in denen einzelne Ausschneidungen von jedem Standpunkt aus eine andere Gestalt - eine fehlende Gestalt - erkennen lassen, vage vergleichbar mit dem Eindruck eines halb vertrauten Gesichts, das man im Stroboskoplicht einer Disco erkennen möchte. Lisa Holzer zeigt Fotografien von ausgeschnittenen Kopfsilhouetten (Nachmittagsformen II), die auf weißem Grund erst durch ihre schattierte Wölbung als eigene Form erkennbar werden. Lucie Stahl schneidet eine Schwarzweißfotgrafie von Fischen zu einem Hochrelief, dessen Bewegung auf das bereits medialisierte Objekt lakonisch zurückweist. In einer weiteren Arbeit montiert sie ein Hochglanzfoto von Mineralölflaschen mit zwei durch Wachs fixierte Schweizertaschenmesser auf eine ebenfalls wachsbetropfte Holzplatte. Die im Pressetext angekündigten Dichotomien werden beiläufig übersprungen - die erwähnten Arbeiten erweisen sich als eigenständige, die Täuschungsgesten von Inszenierung souverän umspielende Stellungnahmen zur Gegenwart. Von aller Theorie einmal abgesehen sind sie schlicht, schön, auf herbe Art sinnlich. Der sie umgebende Kontext mag hier als Illustration für "na und" - sowie dem allgemeinem (Kunst-) Alltag stehen bleiben: viele können täglich Sex haben, jedoch nur einige alle vier Wochen tamponsättigend bluten.
Mehr Texte von Gesche Heumann

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Tension; Sex; Despair - Aber hallo/na und
26.04 - 26.05.2007

KEX Kunsthalle Exnergasse
1090 Wien, Währinger Straße 59, 2. Stiege, erster Stock
Tel: +43 (0)1 401 21-41 oder +43 (0)1 401 21-42, Fax: +43 (0)1 401 21-67
Email: kunsthalle.exnergasse@wuk.at
https://www.wuk.at/kunsthalle-exnergasse/
Öffnungszeiten: Dienstag - Freitag 13:00 - 18:00,
Samstag 11:00 - 14:00 Uhr


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