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Up Up and away

Wen es einmal in das nordböhmische Liberec (Reichenberg) verschlagen hat, dem ist die Silhouette des Jested vertraut. Das hyperbelartig geschwungene, in einer langen Nadel auslaufende Profil des in flacher Umgebung kegelförmig auf 1000 Meter Höhe ansteigenden Berges ist das Ergebnis einer genialen architektonischen Definition geografischer Gegebenheiten. Das von Karel Hubácek geleitete Architekturkollektiv SIAL bekrönte den gern zum quasi-urbanen Skifahren genutzten Berg in den späten sechziger Jahren mit einem Hotel-Restaurant in Kombination mit einem Fernsehturm. Im Inneren des nachts gleißend beleuchteten Metall-UFOs empfängt den Gast eine mehrgeschossige Kommandobrücke mit gigantischen Glas-Planeten-Leuchten und transparenten Brüstungen. Die 1969 mit dem Perret-Preis der UIA ausgezeichnete Jested-Bebauung, die in den letzten Jahren zum Objekt zahlreicher Lifestyle-Fotostrecken wurde, ist der Coverstar der im Tschechischen Zentrum gezeigten Hubácek-Ausstellung. Der 1924 geborene Hubácek realisierte in der Folge noch mehrere nicht weniger markante Fernsehtürme, etwa den dreieckig-konkaven von Prag. Anderes, wie das metabolistische Strojintex-Gebäude oder die geodätische Kuppel der Schneekoppe-Seilbahnstation, blieb gewagter Entwurf. Das Oeuvre von SIAL (übrigens seit seiner Gründung mit zahlreichen weiblichen Planerinnen) zeigt auch, welche architektonische Qualität in einem Ostblock-Land möglich war. Aus der Nähe betrachtet stimmt jedoch nicht nur der Zustand der verrotteten Hotelzimmer auf dem Jested traurig, sondern auch die Geschichte von Hubáceks in Sichtweite des Jested stehenden gleichnamigen Einkaufszentrums aus den Siebzigern, dessen drohender Abriss vor zwei Jahren Aufrufe zahlreicher Architekturinteressierter provozierte. Das Einkaufszentrum und seine Rezeptionsgeschichte werden in der Ausstellung unverständlicherweise mit keinem Wort oder Bild erwähnt.
Mehr Texte von Iris Meder †

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