Ursula Maria Probst,
Leopold Kessler: Bestellt und abgeholt
Auf einem Bahnsteig warten Passagiere auf den einfahrenden Zug. Aus dem Lautsprecher dringt die Durchsage: Eurocity nach Dortmund fährt ein. Aus der wartenden Menge löst sich ein junger Mann (Leopold Kessler), nähert sich dem haltenden Zug und sucht unauffällig entlang des Zuges nach einem Gegenstand. Gefunden, greift er blitzschnell zu. Keiner hat etwas davon bemerkt, aus sicherer Distanz filmt eine Kamera das Geschehen mit. Bei dem Gegenstand handelt es sich um eine Zigarettenpackung. Der junge Mann öffnet die Packung, nimmt eine Zigarette heraus, zündet sie an und verlässt den Bahnsteig.
Schnitt - kurze Ausblendung - Film ab: Erneut befinden wir uns auf dem Bahnsteig, ein junges Mädchen wirft sich in Pose, nachdem es bemerkt, dass es gefilmt wird, ansonsten wiederholt sich der Vorgang, wie wir ihn bereits aus der vorhergehenden Videosequenz kennen. Die Durchsage: "Bitte beachten Sie, dass das Rauchen in Österreich nur in den dafür gekennzeichneten Bereichen gestattet ist", zeigt keine Konsequenzen. Das Verhalten des jungen Mannes (Leopold Kessler), sein Abchecken der näheren Umgebung wirken wie eine Bestandsaufnahme urbaner Nicht-Verhältnisse, als Spiegelbild einer Entfremdung, die durch städtische Zivilisationsräume produziert wird. Die Kamera funktioniert als Observator für ein eingeschränktes Blickfeld. Von eine Getriebenheit, die den jungen Mann dazu veranlassen könnte, tagtäglich den Bahnhof aufzusuchen, um die Ladung Zigaretten in Empfang zu nehmen, ist nichts zu bemerken. Verhaltensweisen, Dresscodes und Körpersprachen der Wartenden unterschieden sich nur minimal von den vorangegangen Tagen.
So unspektakulär die filmische Dramaturgie von Leopold Kessler`s Video "Import Budapest-Wien" ist, in dem er die Ankunft des illegalen Zigarettenschmuggels per Eurocity in Wien dokumentiert und via Videoprojektion in der Galerie Andreas Huber abspielt, so spannend ist der gesellschaftspolitische Hintergrund durch den er die künstlerische Aneignung öffentlicher Infrastrukturen behandelt. Nicht nur, dass Leopold Kessler die derzeit aktuelle Hysterie über das Verbot des Zigarettenkonsums an öffentlichen Plätzen und Orten aufgreift, thematisiert er durch den Schmuggel aus Budapest den Konsum von Zigaretten als Luxusware. Weiters benützt er durch den kostenlosen Transport per Eurocity eine öffentliche Infrastruktur für private Zwecke. Im täglichen Ritual des Abholens der Zigaretten vom Bahnhof spiegelt sich ein Suchtphänomen wider.
Die Auffinden von Lücken im System zählt zu Leopold Kessler Spezialgebieten und bildet die Angriffsfläche für seine urbanen Interventionen. Sein Talent liegt im Benützen von Unschärferelationen staatlicher Verfügungsgewalten und Machtausübungen. Wie gelingt es, den eigenen Aktionsradius und die persönliche Verantwortung auszudehnen, ohne dadurch zwangsläufig in Konflikt mit der Justiz zu geraten? Obwohl Kessler`s Interventionen im öffentlichen Raum stattfinden, passieren sie unbemerkt von anderen PassantInnen. Der Gefahr möglicher Ordnungsstrafen durch illegale Aktionen, steht die völlige Gelassenheit Kesslers in der Ausführung gegenüber. Während Kunst im öffentlichen Raum ansonsten endlose Prozeduren mit Behörden voraussetzt und in ihrer Realisierung einen langen Atem erfordert, passieren Leopold Kesslers Aktionen unangemeldet und bewahren gleichzeitig ihren subversiven Charakter.
Mehr Texte von Ursula Maria Probst
Leopold Kessler
26.01 - 03.03.2007
Galerie Andreas Huber
1040 Wien, Schleifmühlgasse 6-8
Tel: +43-1-586 02 37, Fax: +43-1-586 02 37
Email: art@galerieandreashuber.at
http://www.galerieandreashuber.at
Öffnungszeiten: geschlossen
26.01 - 03.03.2007
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