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Eros in der Kunst der Moderne: Ozean und Wassertreten

Alles, was wir jemals über die Obsessionen im Kunstbetrieb wissen und nicht wissen wollten, gibt es schriftlich. Dank Catherine Millets, nun ja, Skandalbuch über ihre "vie sexuelle", die sie zunächst als junge Kritikerin und dann als Chefredakteurin von "Art Press" hinter sich brachte. Der Eros tobt sich aus. In der Sammlung Beyeler hat man ihm nun auf die Finger geschaut und ihm eine Bilderwelt entrissen, die dann auch im BA-CA Kunstforum in Wien gezeigt werden soll. Wie bei der Lektüre des Buches von Madame Millet lässt man auch beim Besuch in der Ausstellung am besten die Frage unangetastet, wie authentisch, eigenpraktiziert und von ästhetischer Haltung motiviert das Vorgeführte ist. Und wie immer, wenn man von Texten zu Bildern wechselt, bleibt die Unschärfe auf der Strecke. Alles, was Bilder können, ist zeigen. Und was sie zeigen, ist alles. Bilder kämpfen von vornherein mit dem pornografischen Prinzip. Nachdem man heutzutage Schulklassen nicht nur um der pädagogischen Handreichungen willen braucht, sondern auch zum Auffetten der Besucherstatistik, ist es bei Ausstellungen von derlei Thematik entsprechend geraten, mit der Eindeutigkeit etwas an sich zu halten. Das Grazer Beispiel, als "Das Phantom der Lust" der Neuen Galerie vor knapp vier Jahren erst ab achtzehn betreten werden durfte, sicherlich vor Augen, versammelt man das allzu Triebgesteuerte, wie es einem aus japanischen Holzschnitten, von Toulouse-Lautrec oder, die Entdeckung, von Herzmanovsky-Orlando entgegenwuchert, in einem verbotenen Kabinett. Ein ziemlicher Rest ist ziemlich jugendfrei, weil einwattiert in den Akademismus der Künstler-Modell-Konstellation, die sich zwischen Ruin und Routine ergab. Zwei schöne Großformate von Felix Vallotton sind zusammengekommen, Klassiker von Manet oder Bonnard, die üblichen Macho-Wichtigtuereien der Expressionisten, Gegenwärtiges von Rebecca Horn oder der Schweiz-Allrounderin Pipilotti Rist sowie vielerlei anderes sehr Einschlägiges. Vom "ozeanischen Gefühl" schreibt Catherine Millet schwelgerisch, und ihr Sexleben scheint ihr offensichtlich höchsten Spass gemacht zu haben. Hier nun ergibt sich das zentrale Problem der Ausstellung und ihrer Bilder: Von Vergnügen ist wenig zu sehen. Wassertreten statt Ozean, und es erscheint wie eine Pflichtübung - die Erotik ebenso wie die Ausstellung darüber.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Eros in der Kunst der Moderne
08.10.2006 - 18.02.2007

Fondation Beyeler
4125 Riehen / Basel, Baselstrasse 101
Tel: +41 - (0)61 - 645 97 00, Fax: +41 - (0)61 - 645 97 19
Email: fondation@beyeler.com
http://www.beyeler.com
Öffnungszeiten: Mo-So 10-18, Mi 10-200 h


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