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Ikonostatische Bildentgleisungen

Rechtzeitig zur neuen Konjunktur der Malerei auf dem internationalen Kunstmarkt ist der vom Morat-Institut erarbeitete Catalogue Raisonné von Kurt Kocherscheidt (1943-1992) erschienen. 2003 wurde im Wiener Museum für angewandte Kunst die Kurt Kocherscheidt Retrospektive "Das fortlaufende Bild" gezeigt. Einem chronologischen Prinzip folgt nun Kocherscheidts Werkverzeichnis, welches seine Malerei und Holzarbeiten von 1966-1992 akribisch erfasst. Während Sammlerinteressen und ein kommerziell funktionierender Kunstbetrieb zunehmend Einfluss auf Museen und den Ausstellungsbetrieb gewinnen, folgt dieser Catalogue Raisonné einer lückelosen Bestandsaufnahme, welche gleichzeitig ein Künstlerleben Revue passieren lässt. Kurt Kocherscheidts Teilnahme an der Künstlergruppe "Wirklichkeiten" (1968) als Statement gegen informelle Kunstströmungen folgten Wanderjahre nach London und auf den südamerikanischen Subkontinent. Diese Reise zu den Quellen des Amazonas ins "Herz der Finsternis" und die Unmittelbarkeit dieser Erfahrung wirkten sich prägend auf seine Malerei aus. Das Dunkle, Einsame und Stumme war durch eine rohe und brüchige Umsetzung stets präsent und äußert sich auch im Werkverzeichnis. Gegenüber dem ausholenden Pinselgestus der neo-expressiven Malerei und dem Zwang einer permanenten Kunstrevolution verfolgte Kocherscheidt in den 1980er Jahren die paradoxe Absicht, die Differenz zwischen dem Bild als Zeichen und dem Bild als Ding aufzuheben. Das Bild als Spur wurde von Kocherscheidt in einer in sich zurückverlaufenden Malbewegung inszeniert und als Zeichen des Ungestalteten und des Rohen zur "Bildentgleisung". Ansätze sich aus den Vorgaben jeder Repräsentation und Darstellung zu lösen und sich quasi einer Verkörperung und durchdringenden Wirklichkeit von Kunst zuzuwenden, dringen durch. 1986 startete Kocherscheidt mit skulpturalen Werken und gestaltete infolgedessen Skulpturen und Bilder zu Varianten eines bildnerischen Denkens, indem auch die Bilder zunehmend skulpturalen Charakter gewannen. 1988 schuf Kocherscheidt mit dem Projekt "Sommerarbeit" im Museum für Angewandte Kunst (MAK) eine "Ikonostase" von 4,40 Meter Höhe und 12,20 Meter Breite, die ebenfalls im Werkverzeichnis abgebildet ist. Der Catalogue Raisonné vermittelt vor allem auch die prozessuale Methode Kocherscheidts, der Bilder wiederholt umarbeitete, wie jenes zweiteilige Bild für die documenta IX (1991) in Kassel, welches sich ursprünglich in der Installation der MAK-Wand befand. Kurt Kocherscheidt, Catalogue Raisonné Springer Wien New York, 2006 418 Seiten, ca. 500 Abb. in Farbe ISBN-10 3-211-24489-1 ISBN-13 978-3-211-24489-0
Mehr Texte von Ursula Maria Probst

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