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Simultan - Zwei Sammlungen österreichischer Fotografie: Mehr Reibung!

Im Fotomuseum Winterthur gibt es derzeit eine Auswahl von Werken der umfangreichen Fotosammlungen des österreichischen Bundes und des Museums der Moderne Salzburg zu sehen. War die von Urs Stahel kuratierte und in Salzburg gezeigte Ausstellung im Winter 2005/2006 ein wahrer, gigantischer Querschnitt mit 103 KünstlerInnen aus den mittlerweile über 16.000 Arbeiten umfassenden Sammlungen österreichischer Fotografie, so entpuppt sich die Winterthurer Schau geradezu als Kabinettstückchen. Ganze 76 Kunstwerke von 54 KünstlerInnen gibt es nunmehr und somit auch die Gelegenheit zu erkunden, wer denn nun zum Weizen und wer zur Spreu gehört. Diejenigen, welche die Schau in Salzburg sahen, sind im Vorteil, doch auch der umfangreiche Katalog zeigt die Diskrepanz der beiden Ausstellungen recht gut. Die Salzburger Systematik wurde mit Ausnahme der Rubrik "Clash" übernommen. Aus dieser Gruppe schaffte es nur Georgia Creimer nach Winterthur. Einem knappen Prolog, der klassische Altmeister der Fotografie wie Ernst Haas, Erich Lessing, Inge Morath und Franz Hubmann beinhaltet, folgen die mittlerweile seltsam hausbacken wirkenden Aktionisten. Als Bindeglied zwischen diesen und den "Identitäten" steht amüsanterweise Arnulf Rainers "Rüsselprobe" (1968). Der Reigen der "Identitäten" wird von den Dokumentaristen Seiichi Furuya, Michael Mauracher, Friederike Pezold und Friedel Kubelka-Bondy eröffnet. Valie Exports "Genitalpanik" von 1969 leitet schliesslich zu den "Textpieces" von Matthias Herrmann über. Natürlich darf bei so viel Körperkult Elke Krystufek, Rita Fabsits und Eva Schlegl nicht fehlen. Angesichts all dessen wirken Helmut Kandls Fotoalbum des "Herrn Doktor aus Wien" (1998-2004) und Maria Hahnenkamps immer wieder neu zu entdeckende zusammengenähte und bestickte Fotos ein wenig fehl am Platz. Und auch Ilse Haiders Peddigrohr-Installation "Venus" (1996) wirkt als Übergangslösung zur Rubrik der "Bildspiele" im ersten Moment recht unbeholfen. Beim Blick hinüber prallen dann jedoch drei Themenbereiche aufeinander und offerieren eine der viel zu wenigen spannenden Gegenüberstellungen in der Ausstellung: Ilse Haider, Lois Renner und Hans Kupelwieser. Letzterer gehört zum Ausstellungspart der "Bildspiele", die mit "Das Mass des Masses" und "Brechungen" aus dem Jahr 1975 von Peter Weibel eröffnet werden. Die "Bildspiele" vereinnahmen gänzlich unterschiedliche, mitunter farbenfrohe Positionen wie Alfons Schillings "Burning Car Series" (1970), Günther Selichar, Herwig Kempinger, Michael Schuster und Hans Kupelwiesers "Tische" (1990). Dieser Bereich wirkt ein wenig beliebig, ein wenig austauschbar und wäre ohne weiteres durch Positionen wie Fritz Simak, Thomas Freiler oder Inge Dick zu ergänzen gewesen. Lois Renner wunderbares "La Casa, il Corpo, il Cuore" (1999) führt hinüber zu den "Konstruierten Wirklichkeiten" und unter diesen sind allein Dieter Hubers altbekannte "Klone" (1997) hervorhebenswert. Schade, dass sowohl auf Herwig Turks "Superorgane" als auch auf Hans Weigands digitale Montage "Garten der Lüste" verzichtet und diese nur in Salzburg gezeigt wurden. Hinter "Szenario" verbergen sich narrative Erzählformen. Mit Erwin Wurm und Paul Albert Leitner gibt es sozusagen die Klassiker, mit Markus Schinwald eine neuere Position zu entdecken. Von Peter Dressler wurde die überaus lustvolle Serie "In unmittelbarer Nähe / Akademie" (2003) ausgewählt, und "Ernst Jandl" ist in der gleichnamigen Serie von Cora Pongracz präsent. Ganz besonders gut gelungen, wirkt der Ausstellungsbereich, der mit "Das Land" betitelt wurde. Insbesondere in den Serien zeigt sich die Stärke der visuellen Foto-Landschaft Österreichs, die mit Leo Kandl, Heinz Cibulka, Manfred Willmann und Branko Lenart ihre stärksten Vertreter aufweist. Maria Theresia Litschauer, Robert F. Hammerstiel und einige der jüngeren Vertreter wie Bernhard Fuchs oder Paul Kranzler fehlen hingegen. Die Fotos aus dem Konzentrationslager Mauthausen des 2002 verstorbenen Heimrad Bäcker polarisieren die heimatliche Idylle und bilden einen guten Übergang zum letzten Ausstellungsbereich, der den Titel "Sozialraum" trägt und, da auf wesentliche Positionen verzichtet wurde, zum schwächsten gehört. Da mit dem Weglassen der Werke von Rainer Ganahl, Helmut und Johanna Kandl die stärksten Positionen zu diesem Thema fehlen, wirken die ausgestellten Werke von Margherita Spiluttini, Aglaia Konrad, Sabine Bitter und Octavian Trauttmansdorff eher befremdlich. Was in Salzburg durch die Gegenüberstellung an Schärfe vorhanden war, stellt sich in Winterthur nun seltsam beliebig dar. Zuletzt bleibt anzumerken, dass der Kurator der Salzburger Simultan-Ausstellung und gleichzeitige Direktor des Fotomuseums Urs Stahel in Winterthur auf Nummer Sicher geht. Er reduziert die opulente Salzburger Leistungsschau erheblich und zeigt Altbekanntes und Gutabgehängtes. Dies geschieht zumeist in sicheren Gruppierungen und leider viel zu selten in spannenden Gegenüberstellungen. Da einige der jüngeren Hoffnungsträger nicht berücksichtigt wurden, fehlt somit auch eine gewisse Reibung; doch alles in Allem gibt die Ausstellung "Simultan" einen guten Überblick über die Fotoszene in Österreich und macht diese der überaus interessierten schweizerischen Öffentlichkeit bekannt.
Mehr Texte von Harald Krämer

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Simultan - Zwei Sammlungen österreichischer Fotografie
02.12.2006 - 18.02.2007

Fotomuseum Winterthur
8400 Winterthur, Grüzenstraße 44+45
Tel: +41 52 234 10 60, Fax: + 41 52 233 60 97
Email: fotomuseum@fotomuseum.ch
http://www.fotomuseum.ch
Öffnungszeiten: Di - So 11-18, Mi 11-20 Uhr


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