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Verdoppelte Illusion

Was wir im Kino erleben, wenn eine Thriller-Handlung ihr Finale erreicht und mit einer unerwarteten Lösung überrascht, das ist im Grunde zu vergleichen mit "The Prestige". Nämlich in der Bedeutung des Wortes, die in Christopher Nolans gleichnamigem Film nach dem preisgekrönten Science Fiction-Roman von Christopher Priest definiert wird: Als Höhepunkt, als die "perfekte Illusion" eines Zaubertricks, dem die theatralischen Akte der "Ankündigung" ("The Pledge") und der "Wendung" ("The Turn") vorausgehen. "The Prestige" als sowohl inhaltlicher wie formaler Trick auf einen Film angewandt, ist ein selbstreferentiell zu nennendes Spiel mit der Illusionsmaschine Kino und ihren Wurzeln in den Attraktionen der Varietees und Rummelplätze. Denn im Grunde liegt eine mögliche Spur zur Auflösung beider Geheimnisse beinahe die ganze Zeit vor den Augen des staunenden Betrachters. Sie besteht in einer mehrfach wiederholten Frage einer Nebenfigur, die an ihrer darin zum Ausdruck gebrachten Verunsicherung schließlich zerbricht. Doch wer weiß schon beim ersten Mal, welchen Spuren in Christopher Nolans kunstvoll-raffiniertem Thriller um zwei Zauberer im spätviktorianischen London zu trauen ist? Die Zeitstruktur in "The Prestige" ist nicht so konsequent gegen den Strich gebürstet wie in Nolans bisherigem Hauptwerk "Memento" (2000), doch kompliziert genug, um zumindest am Beginn alle Aufmerksamkeit zu bündeln. Wie ein Bühnenmagier zieht Nolan die Register des Zeigens und Verhüllens, um seinem ahnungslosen Publikum am Ende die vielbeschworene Überraschung zu präsentieren, ohne dass es so recht weiß, wie er das hat bewirken können. Die beiden Illusionisten Robert Angier (Hugh Jackman) und Alfred Borden (Christian Bale) waren einst Freunde. Ein von Borden verschuldeter Unfall mit letalen Folgen machte sie zu Feinden und erbitterten Konkurrenten. Ein Duell der Magier entspinnt sich, ausgetragen nicht mit Zauberstäben und Blitzen, sondern mit ausgefeilten technischen Apparaturen und geschickten Fingern. Angier hat den eleganteren Bühnenauftritt, Borden die genialeren Ideen, die ihm sein Ex-Zauberpartner gerne abjagen möchte. Bordens größter Trick, "The Transported Man", ist Teil des Geheimnisses, das erst das Ende enthüllt. Gegenseitig bespitzeln, sabotieren und manipulieren Angier und Borden einander und missbrauchen die Macht, die sie aufgrund des auf die Geheimnisse des jeweils anderen gerichteten Begehrens übereinander haben bis zur tödlichen Konsequenz. Da "The Transported Man" ein Mysterium bleibt, wendet sich Angier schließlich an den genialen Erfinder Nikola Tesla (David Bowie), die einzige historische Figur des Films, dessen realer, erbitterter Konkurrenzkampf gegen Thomas Alva Edison (- es ging um Wechselstrom versus Gleichstrom -) den Wettstreit der fiktionalen Illusionisten wie ein fernes Echo aus der Geschichte paraphrasiert. Der Magier der Elektrizität zaubert dem Bühnenmagier ein höllisches Maschinchen, das ein wahrhaftiges Wunder zu produzieren scheint und eine spektakuläre Kopie von "The Transported Man" möglich macht. Das sorgsam eingeführte Prinzip der Verdopplung steigert seine Bedeutung weiter und wird für den Höhepunkt konstitutiv. Doch wie weitreichend es nicht nur Paradigma, sondern auch Lösung ist, bleibt dank Nolans Gespür für "Prestige" bis zum letzten Moment geheim. Ab 4. Jänner im Kino The Prestige, USA/UK 2006, 128 min Regie: Christopher Nolan Mit: Hugh Jackman, Christian Bale, Michael Caine, Scarlett Johansson, David Bowie u.a.
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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