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10. Cairo Biennale: Cairo Connection

Wer die Jubiläumsausgabe der 10. Internationalen Cairo Biennale gesehen hat, bekommt den Eindruck, dass die Geschichte sich zurückgezogen hat und einen Nebel der Indifferenz hinter sich zurücklassend - durchquert zwar von internationalen Strömungen - in all ihren Bezügen entleert ist. Die 1984 ins Leben gerufene und noch in einem veralteten System steckengebliebene Veranstaltung ist primär als Wettbewerb ausgerichtet und bietet wegen der krassen Qualitätsunterschiede ein verwirrendes Durcheinander, das kaum jemand ästhetisch zu verdauen imstande ist. Unter dem Motto "Images and its Time" prallen hier an drei Ausstellungsorten dicht aufeinander folgend Werke der KünstlerInnen aus 57 Ländern: wenige davon professionell wirkend, einige mit studentischen Ansätzen und Arbeiten von KünstlerInnen, die die Kunst eher als Hobby betreiben und noch vorher einen Aquarell-Kurs absolviert hatten. Kein Wunder, dass die Malerei und Aquarelle das Gesamtbild der Biennale dominieren. Unter diesen Arbeiten sticht die hyperrealistische zwischen John DeAndrea und Arbeiten der Chapman-Brüder oszillierende Skulptur des Amerikaners Daniel Joseph Martinez hervor. Sie zeigt einen auf dem Boden liegenden Mann, ein Nobody, aus der Unterschicht: weiß gekleidet und barfuß mit gequältem Gesichtsausdruck, der durch die blutunterlaufenen Augen und vorgeschobene vergilbte Zähne noch verstärkt wird. In regelmäßigen Intervallen wird die Figur, die kaum von einem realen Mensch zu unterscheiden ist, zum Schrecken des Publikums in konvulsive, zuckende und höchst epileptische Bewegungen versetzt um damit quasi zum Leben "gepresst". Zweifellos ein starkes sensuelles und provokantes Icon unserer Zeit. Das einzige Video der Biennale vom Deutschen Marc Schmitz thematisiert ebenso menschliches und wurde dafür mit einem Biennale-Preis ausgezeichnet. Installative Arbeiten waren selten zu sehen. Zum Beispiel der österreichische Beitrag von Michael Höpfner, eine mehrteilige Arbeit "Unsettled Condition", die aus einem hyperrealen Wüstenfoto, einer Diaprojektion von militärischen Grenzzonen und einem von der Decke hängenden transparenten "Bergzelt" besteht. Höpfners Arbeit, die Differenz zwischen Ordnungen des Realen und Imaginären anhand der Wüstenlandschaften Asiens postromantisch reflektiert, könnte als Pendant für eine andere Ausstellung, die gleichzeitig zur Biennale, in der Townhose Galerie eröffnet wurde, gelten. Ihre Themen sind Trans-Sahara Migration, Intoleranz, menschliche Tragödien, und politisch-ökonomische Repression im Maghreb, an der auch europäische Länder nicht unschuldig sind. Es geht um ein Projekt mit Konferenz und dem Buch "The Maghreb Connection" der Künstlerin und Kuratorin Ursula Biemann und des amerikanischen Kritikers Brian Holmes. Die beiden beschäftigen sich mit Lebensbewegungen und dem Exodus durch die Sahara nach Nordafrika sowie mit der Migrationspolitik in Tunesien, Algerien und Marokko. Die Maghrebstaaten sollten neuerdings, seit der Festigung der äußeren Grenzen zu Europa und der Mittelmeerländer zu einem Art "Staudamm" in der Wüste werden, der afrikanische Migranten aufhält. Darin entstehen aufgrund der extremen militärischen Sicherung der Grenzen, Räume der Verbannung, in denen landlose Flüchtlinge ihre eigene Einkerkerung organisieren, nur um zu überleben. Viele von ihnen schaffen es nicht und sterben oder werden als Sklaven behandelt. Einzelne künstlerische Beiträge untersuchen und schaffen Einblicke in diese inhumane, von Xenophobie getragenen Missstände.
Mehr Texte von Goschka Gawlik

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10. Cairo Biennale
13.12.2006 - 15.02.2007

International Cairo Biennial
7358211 Kairo, Zamalek - Akhnaton Galleries Center of Art / 1, Sharia Aziz Abaza
Email: fineartsector@hotmail.com


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