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Modernism. Designing a New World 1914-1939: Das MARTa macht`s modern

Das Modell Bilbao ist eben nicht so ohne weiteres zu kopieren: Man engagiere mit Frank Gehry einen der wenigen Stararchitekten der internationalen Liga, lasse sich von ihm - gemäß seinem unverwechselbaren Stil - einen zeichenhaften und weithin ausstrahlenden Kunsttempel in die Stadt pflanzen und hoffe, mit dieser Einschreibung in die Landkarte des globalen (Kultur-)Tourismus einen wirtschaftlich und moralisch darniederliegenden Landstrich zu revalorisieren. Was also in der baskischen Provinz mithilfe der Marke Guggenheim offenbar anschlug, scheint in der ostwestfälischen Provinz indes mit dem hiesigen MARTa nicht so recht zu verfangen, sorgte dessen Direktor, Jan Hoet, in letzter Zeit doch weniger mit seinen programmatischen Würfen für Aufsehen als mit seinem - die versammelte Kollegenschaft aufheulen lassenden - Avis, die seit dem eineinhalbjährigen Bestehen des Museums für "Design (Möbel), Kunst und Architektur bzw. Ambiente" aufgelaufenen Schulden aus eigener Tasche begleichen zu wollen. Und so ist es daher auch nicht gänzlich ohne Ironie, dass das MARTa nun ausgerechnet vom Londoner Victoria & Albert Museum die grandiose Ausstellung "Modernism. Designing a New World 1914-1939" übernommen hat, hält es sich damit doch gewissermaßen selbst einen Spiegel vor. Denn die Schau nimmt mit ihrer Konzentration auf die Zwischenkriegsjahre eine Epoche in den Blick, in der die Kunst zwar einerseits nach den voraufgegangenen formalistischen Exzessen durch einen rappel à l`ordre diszipliniert wurde, andererseits hingegen zunehmend in die Einflußsphäre eines progressiven Designs geriet, das unter der Führung einer funktionalistischen Architektur einen Ausgleich mit der - trotz all der von ihr zu verantwortenden Verheerungen - noch immer als heilbringend geltenden Technik suchte sowie vor allem eine völlige Neugestaltung des gesamten sozialen Lebens anstrebte. Kurzum: Die Avantgarde trat mit der Absicht auf den (Bau-)Plan, ihre utopischen Träume in die Tat umzusetzen und damit endlich eine schöne, neue Welt einzurichten. Deshalb erscheint es auch mehr als folgerichtig, den Rundgang durch die - da ohne jede gerade Wand - nur schwer bespielbare Gehrysche Bauskulptur mit einem Panorama damaliger architektonischer Visionen der verschiedensten Couleurs (rational: Le Corbusier, spirituell: Bruno Taut, kommunistisch: Tatlin etc.) beginnen zu lassen, die bekanntlich das Modellstadium jedoch meistens nicht transzendieren konnten. Danach widmet sich die ungemein materialreiche Präsentation gleich dem Kapitel der Maschine, also dem Motor, wenn nicht sogar dem - heimlichen - Gott der Moderne (wobei man sich hier auch nicht scheut, neben Filmausschnitten, etwa aus Langs "Metropolis", ein blitzblankes und überraschend ästhetisches Kugellager zu setzen). Während die Sektion "Modernismus und Bühne" daraufhin die Einlassungen der bildenden Künstler mit dem Theater (Oskar Schlemmers "Triadisches Ballett") veranschaulicht, das dergestalt wieder den Traum vom Gesamtkunstwerk aufleben lässt, und im Rahmen des "Aufbaus von Utopia" beispielsweise Margarete Schütte-Lihotskys "Frankfurter Küche" maßstabsgetreu rekonstruiert wird, fasziniert das Kapitel über die "Körperkultur" mit der Einsicht, dass den Modernismen (ein weiteres Kapitel verfolgt deren nationale Ausprägungen) mit ihren Anstrengungen, den Menschen für das "design for life" (Moholy-Nagy) passfähig zu machen, die Biopolitik keineswegs fremd war. Dass es dann aber doch etwas anders kam und das modernistische, ideologisch hoch aufgeladene Design ganz undogmatisch Eingang in die Populärkultur gefunden hat, ist eine Schlusspointe, die man - je nachdem - entweder bedauern oder begrüßen möchte.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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Modernism. Designing a New World 1914-1939
16.09.2006 - 07.01.2007

Marta Herford
32052 Herford, Goebenstraße 4 - 10
Tel: +49(0)52 21 - 99 44 30, Fax: +49(0)52 21 - 99 44 30 - 23
Email: info@marta-herford.de
http://www.marta-herford.de
Öffnungszeiten: Di-Fr 14 – 20, Sa 11-20, So 11-18 h


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