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Rebecca Horn - Zeichnungen, Skulpturen, Installationen, Filme 1964-2006: Im Bauch der märchenhaften Langeweile

Es war einmal eine junge Künstlerin, die - man schrieb die frühen 1970er Jahre - das Publikum mit ihren Performances betörte. Sie schnürte ihren Leib, presste ihn in ein Korsett (der Vergleich mit Frida Kahlo ließ nicht lange auf sich warten, und wirklich war ja für beide die Kunst eine Art Rehabilitation, feierten beide nach Unfällen ihre Resurrektion mit und in ihrer Kunst), verhüllte ihn mit allerlei phantastischem Tand. Es schien, als ob sie damit ihre Verletzlichkeit ausstellen wollte, aber zugleich meinte es wohl auch eine Selbstvergewisserung, eine trotzige Behauptung der eigenen Existenz und - mittels der bekannten Körperextensionen - eine aufgrund des langen Sanatoriumsaufenthalts befreiende Wiedergewinnung der Welt. Das Ganze wurde durchaus manisch - so wenn sie etwa mit ihrer äußerst bedrohlichen "Bleistiftmaske" schier endlos an einer Wand hin- und herstreicht -, vor allem aber poetisch - ihre staunenerregenden Federkleider - vorgetragen, und sogar wie heute die Relikte dieser einsamen Aktionen, von denen wir sonst nur durch Foto und Film Nachricht haben, unter Glasstürzen wie in einer Art Zauberkasten präsentiert werden, ist darin noch eine Spur des einstmals magischen Moments aufbewahrt. Doch dann gefiel es der Künstlerin, die Performance sein zu lassen und sich stattdessen an der Skulptur und der Installation zu versuchen. Sie delegierte also das Manische an die Maschine und überantwortete der Mechanik die Magie, und die Poesie, die ihr schließlich immer viel bedeutete, erreichte sie durch die Vereinigung inkommensurabler Dinge oder die Schaustellung rätselhafter, absurder Verrichtungen. (Nun ließ der Vergleich mit den Surrealisten nicht lange auf sich warten, obwohl der eher unangebracht war, weil hier etwa die essentielle Schockästhetik überhaupt keine Rolle spielt und der damit zusammenhängende revolutionäre Impetus ebensowenig zündet.) Und manchmal - es sind vorrangig die bescheidenen, unaufwendigen Arbeiten - geht das Kalkül, zu dem ferner der stets stimmungsvolle Titel zählt, auch wirklich auf. Oder es beeindruckt einen immerhin die präzis ausgetüftelte Technik, so beispielsweise der feine Flügelschlag eines Schmetterlings in "Circle for Broken Landscape" von 1994. Der reifen Künstlerin beliebt es hingegen, uns mit ihren parfümierten Kreationen, die dabei doch nur den Ruch des Gestrigen, des irgendwie Unzeitgemäßen verströmen, überwiegend zu langweilen. Kreationen, denen mittlerweile etwas unangenehm Betuliches und Gespreiztes anhaftet: sei es, wenn sie an die Vanitas gemahnen wie in "Twilight Transit" (2005) - wo eine halbe Armee von schwarzen Totenschädeln aufgefahren wird, um einen Gedanken zu illustrieren, der eigentlich zwingend der Intimität bedarf -, sei es, wenn sie wie in "Licht gefangen im Bauch des Wales" (2002) gar keinen Gedanken zu illustrieren haben, sondern bloß mithilfe eines an die Wände geworfenen Gedichts und des Einsatzes von Musik - eine synästhetisch-poetische Überwältigungsstrategie - eine Stimmung evozieren sollen, die dunkel und hohl von so etwas wie Ursprung und Entstehung kündet. Der Höhepunkt dieses esoterischen Edel-Kitsches findet sich dann allerdings im zentralen Lichthof, wo eine bombastische, 18 Meter große Installation aus goldenen Trichtern - alchemistischen Versatzstücken, die die Kunst wohl in den Rang einer Geheimwissenschaft erheben wollen - und rotierenden Spiegeln "das Universum in einer Perle" (so der Werk-Titel) ausfindig machen wollen. Ach ja, und die Zeichnungen, die die Retrospektive eigentlich als Entdeckung hätte feiern sollen, bringen diese Geschichte leider auch zu keinem guten Ende.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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Rebecca Horn - Zeichnungen, Skulpturen, Installationen, Filme 1964-2006
05.10.2006 - 15.01.2007

Gropius Bau
10963 Berlin, Niederkirchnerstr. 7
Tel: +49 30 25486-0, Fax: +49 30 25486-107
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Öffnungszeiten: Mi-Mo 10-20 h


Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Recht so!
Thomas Wulffen | 26.11.2006 06:21 | antworten
Wieder mal die passende Besprechung. Aber da Frau Horn eine liebe Bekannte des Chefs der Berliner Festspiele ist, wird das Ausstellungsprojekt dann eben durchgedrückt, obwohl die Retrospektive schon vor zwei Jahren in Düsseldorf gezeigt wurde. Zuweilen liebt Berlin dann doch immer noch auf einem anderem Planeten. Das würde einen nicht so stören, wenn dadurch nicht andere Projekte behindert würden oder erst gar nicht realisiert werden.

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