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Blasen und Phrasen

Die Statement Reihe von Lindinger + Schmidt gibt mit dem vorliegenden Band, "Unternehmen Kunst - Entwicklungen und Verwicklungen" Max Hollein nach zahlreichen Katalogpublikationen die Gelegenheit, eine zweite eigenständige Publikation vorzustellen. Für Fans seiner Arbeit ist das Buch ein handlicher Sammelband aus Aufsätzen und Interviews. Für alle anderen hätte der Untertitel "Blasen und Phrasen" besser getaugt. Blase Nr. 1: "Guggenheim gibt die Sicherheit eines emotionalen und hochqualifizierten Kunsterlebnisses (....)" (Zitat S.16). Sicher ist schön, wenn Kunst für eine Kommune Meriten als weicher Standortvorteil erwirbt. Sicher ist auch ein Museumsdirektor, der das transzendentale Erlebnis beschirmt und den Preis dafür ausser Acht lässt, naiv. Ob aber angebracht ist, dass einer globalen Museumsmarke schier versicherungstechnisch anmutende, quasi Parship-artige Gefühlsreize zertifiziert werden? Blase Nr. 2: Ernstzunehmende Künstler, die Hollein bespricht oder mit denen er spricht, sind sämtlich männlich. In mehr oder minder gelungenen Interviews kommen Jonathan Meese, James Rosenquist, Julian Schnabel und Siegfried Anzinger zu Wort. Amüsant ist dabei der dadaistische Charakter des Gesprächs mit James Rosenquist, der zu den seriell verfassten Fragekonvoluten Holleins weitschweifig mäandernde Antworten äußert, die den Eindruck erwecken, Rosenquist habe Hollein auf keinen Fall zugehört. Blase Nr. 3: Wiederholung macht anschaulich. Das Kapitel "Julian Schnabel" (S.118 - 131) nimmt an seinen besten Stellen das vorweg, was im nachfolgenden Gespräch Holleins mit Schnabel (S. 132 - 137) spontaner und originärer verhandelt wird. Phrasen wiederzugeben ist müßig, ihre Phänomenologie erschließt sich anhand einer Unmenge von tendenziös wirkenden Füllwörten wie "wohl" oder "sicherlich". Westliche Gesellschaften sind enormen Veränderungen durch neue Kommunikationsformen unterworfen. Architekten werden als die Avantgarde eines konstruktiven Umgangs mit eben diesen Neuerungen ausgemacht. Rämlich wirkende Künstler wirken im Raum. Bildlich wirkende Künstler wirken durch Bilder. Der Supermarkt ist - diese Sentenz findet sich im Kapitel "Leben und Sterben im Supermarkt" (S. 180 - 187) auf sieben Seiten zwölf mal, Anreicherungen durch vorgesetzte Adjektive oder in anderer Verbverbindung nicht mitgezählt - der Supermarkt also ist für Hollein Abbild, Zerrbild, Überbild, Trugbild und Erlösungsbild, also schlechthin eine metaphorische Ikone über die Verfasstheit westlich geprägter Gesellschaften. Ein interessanter Gedanke wird in diesem Text denkbar unattraktiv dargestellt. Hollein selbst schreibt in seinem Vorwort, das Schreiben sei ihm noch nie leichtgefallen. Man möchte nicht davon absehen, ihm für seine sicherlich beizeiten nötige, dritte eigenständige Publikation einen strengeren Lektor zu wünschen. Max Hollein: Unternehmen Kunst Entwicklungen und Verwicklungen Statement-Reihe, Verlang Lindinger + Schmid Regensburg, 2006 ISBN 3-929970-64-3
Mehr Texte von Gesche Heumann

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