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Daniel Megerle, Nick Oberthaler: Heilige und Gespenster

Laut neuester Ausgabe des Kunstforums International geht ein neues altes Gespenst in der Kunstwelt um. Es heißt Nestbauverhalten. KünstlerInnen erfinden begehbare und mobile Hausbauten wie Bunkerobjekte, diverse Eremitenzellen, Hütten, Kaaktenhäuser, Wohnwägen, fliegende Katakomben. Als Bildthema tritt das Haus fast notorisch auf. Andere bauen wiederum das geerbte Elternhaus zum Schaudern auslösenden düsteren Keller um, als wäre er das Versteck des Killers Jack the Ripper oder eines ähnlich umtriebigen Unwesens. Im Zeitalter globalisierter Beweglichkeit und Sehnsucht der Reisenden nach der Rückzugsmöglichheit ins Private, lässt sich die Reihe der von KünstlerInnen geschaffenen Behausungen und Hüllen endlos fortsetzen. Während einige fleißig mit Alternativbauten beschäftigt sind, kommen andere spontan auf die Idee etwas, was es schon lange gibt, nach dem Geschmack des "urbanen Nomandentums" oder Heavy Metal Codes stimmungsintensiv oder klaustrophobisch umzupolen und so psychologisierend umzudeuten. Den beiden jungen Künstlern, dem Österreicher Nick Oberthaler und dem Deutschen Daniel Megerle ist so etwas für ihre gemeinsame Ausstellung eingefallen. Ihrer lästigen und lüsternen Phantasie sind diverse österreichische Kirchenbauten zum Opfer gefallen. In ihren süffisant satanischen Ausführungen wird die biedere oder bizarre einheimische Sakralarchitektur durch diverse malerische und zeichenhafte Eingriffe und Verzerrungen, die Macht- und Wissensgelüste oder Mordversuche andeuten, noch mystischer, unheimlicher und abgeschiedener als sie schon ist. Auf dem Plan künstlerischer Umgestaltung stehen dörfliche religiöse Gemeinschaften (an Bischof Krenn verweisend) oder die beklemmende, mit monochrom kantigen Betonblöcken verbaute, prätentiös moderne Wiener "Wotruba-Kirche". Auf diesem "bedeutendsten Kirchenbau Österreichs seit 1945" haben die Künstler noch andere "skulpturale Objekte" wie eine alte Laterne oder eine Zombie-Figur mit weißer Fahne gemalt (Saint Marcin Kippenberger?). In diese Kategorie gehört auch die Künstlerperson des Gustav Klimt, dessen Geist als Heiliger Augustin mit dem österreichischen roten Kreuz und völligem Entsetzen im Gesicht von Wotrubas Kirche in die verwüstete Dunkelheit architektonischer Hintergründe irrt. Der Ausstellungstitel "Saufen zur Besinnlichkeit" drückt ein soziales Paradox aus, welches auch in Relation zur heimischen Architektur stehen mag. Wird sie "unräumlich" und daher unheimlich, dann bleibt das Subjekt draußen. Die als "progressiv" angekündigte Ausstellungsreihe, die immer wieder an neuen Stadtorten eine Woche zu sehen ist, wirkt in ihrer emotionalen Unverfrorenheit auf jeden Fall unterhaltsam und aufgrund historischer Tragweite ästhetischer Vorbilder (z.B. A. Stifter, S.Dali, C. Spitzweg) sogar etwas provokant.

Mehr Texte von Goschka Gawlik

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Daniel Megerle, Nick Oberthaler
24 - 30.10.2006

Space Invasion
1010 Wien, Riemergasse 4
http://www.spaceinvasion.at
Öffnungszeiten: Di - Sa: 11:00 - 18:00


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