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Erwin Wurm - Keep A Cool Head: Fat Universe

Erwin Wurms Konzept der „One Minute Sculptures“ gehört bereits zum Schatz des kollektiven Bildgedächtnisses unserer Zeit: Schon in mindestens zwei Musikvideos und auch in der Werbefotografie wurden Menschen in skurril anmutenden Posen, mit manchmal unpassenden Gegenständen versehen, gesichtet. An Nachahmern in diesem Bereich mangelt es nicht. Manche von ihnen, wie die Red Hot Chili Peppers für ihr Video zu "Cant Stop"( 2003, Regie: Mark Romanek), bemühen sich wenigstens, das OK des Künstlers dafür einzuholen, dass sie ihr Publikum mit Wurm’schem Witz verführen dürfen. Andere lassen es wohl eher „darauf ankommen“, ob Erwin Wurm sie überhaupt bemerkt. Originale und einige der Nachahmungen sind noch bis 11. Februar im Mumok in Wien zu sehen. Die berühmten „One Minute Sculptures“ (1997) sind „Skultpuren“, die im Prinzip nur aus Handlungsanweisungen bestehen, die von wem auch immer zu beliebigen Zeitpunkten ausgeführt werden können. Es reizt zum Schmunzeln, wie Menschen mit Essiggurken zwischen den Zehen oder Markern in der Nase stillhalten, um für kurze Zeit zum Kunstwerk zu werden. So lustig das aussieht, so sehr sollte sich der Betrachter darüber im Klaren sein, dass er es bei diesen in Skizzen vorbereiteten und in Fotos dokumentierten Arbeiten mit einem ungemein diskursiven Werk zu tun hat. Erwin Wurm, 1954 in Bruck an der Mur geboren, arbeitet seit den Achtzigern konsequent an der Frage des Skulpturbegriffs und ist, was diesen betrifft, auch international gesehen eine Größe für sich. Denn es geht ihm nicht allein um Definitionsfragen wie „Was kann nach Duchamp, Pop Art und den Minimalisten heute eine Skulptur sein?“. Vielmehr erweitert und deformiert Erwin Wurm seine Forschungen zum Thema Skulptur in soziologische, philosophische und psychologische Dimensionen. Waren die frühen Staubskulpturen, in denen der Staubumriss die Abwesenheit eines ehemals anwesend gewesenen Objekts imaginieren ließ, noch minimalistisch und konzeptuell, so sind die jüngeren Arbeiten, angefangen mit den oft recht suggestiven Verformungen und Posen von Pullovern oder Hosen oder später die absurden der Körper der One Minute Sculptures regelrecht gestisch-expressiv. Alltagsgegenstände wie Möbel fanden ja schon vor langer Zeit Eingang in Wurms Universum. Eine neuere Entwicklung sind die Fat Houses und Fat Cars, durch die endgültig die Themen Lifestyle, Mode und Konsumkultur in sein Werk eingezogen sind, während zugleich in den aus den Fugen geratenen „fetten“, zum Teil zerfließenden Häusern und Autos die Ideale der klassischen Moderne ebenso wie der zeitgenössischen Schönheit persifliert werden. Das in einer Computeranimation melancholisch über sich selbst und seinen doppelten Status als fettes Haus und Kunstwerk reflektierende „Fat House“ kann Lachkrämpfe verursachen und ist trotzdem ein Stück zeitgenössische Kunst auf ihrer Höhe. Apropos Höhe: Die aufsehen erregende Installation „House attack“ auf dem Dach des Mumok, die wie ein verkehrt gelandetes Einfamilienhaus aussieht, ist das Paradebeispiel für die Aufnahme, die diese sensationelle Ausstellung in Wien gefunden hat. Sie lockt Besucher an, doch die Kritiker bleiben eher vorsichtig reserviert. Kann es sein, dass Spaß und Erfolg in der Kunst teilweise immer noch automatisch das alte Lamento über den Niedergang der Kunst durch die Mechanismen der Kulturindustrie wachrufen?

Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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Erwin Wurm - Keep A Cool Head
20.10.2006 - 11.02.2007

mumok - Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien
1070 Wien, Museumsquartier, Museumsplatz 1
Tel: +43 1 52 500, Fax: +43 1 52 500 13 00
Email: info@mumok.at
http://www.mumok.at
Öffnungszeiten: Täglich: 10.00–18.00 Uhr, Do: 10.00–21.00 Uhr


Ihre Meinung

2 Postings in diesem Forum
Ja so eine lustige Ausstellung
Guenther Auer | 15.01.2007 06:28 | antworten
Nach ca 3 Minuten in der Ausstellung hat mich die andauernde Schmunzelei richtig angewidert. Kann schon sein, dass man hinter jedem vordergründigen Etwas eine hochkomplexe Welt entdecken kann. Würden wir uns Zeit geben, könnten wir vermutlich sogar im Inseratenteil der Kronenzeitung verblüffende Erkenntnisse gewinnen. Das Schmunzeln als einziger Attraktor ist zu billig. Der Verweis, dass hinter dem Verziehen der Mundwinkel viel mehr verborgen liegt, ist noch billiger. Die Hütte auf der Hütte im Stile eines massentauglich "grandiosen" Kulturspektakels: am Allerbilligsten. Der Wurmsche Schmunzelfaktor tut nicht weh, irritiert nicht, stellt nichts in Frage. Wurm lässt den Betrachter grinsen, auf abgesichertem Terrain, nett und brav. Nirgendwo bleibt ein Lachen stecken, nirgendwo entsteht Reibung. Der Schmunzelfaktor ist einfach und deswegen wohl kunstmarkttechnisch interessant. Ja, gut so! Und demnächst wird dann wohl die witzige und fesche Eventveranstaltung eines Mobilfunkbetreibers im Mumok gezeigt, inklusive eines noch viel größerem Dingsbums auf der Kante des Würfels, wie es dem musealen Zeigeist halt so entspricht.
erwin wurm
Gerd Postel | 18.01.2007 12:42 | antworten
bringt die absurdität eines durch und durch kommerzialisierten kunstbetriebs zum glänzen. Darüber kann ich immer lachen. Ich finde einfach Schade dass sich Kunst in Österreich derart zentralisiert.

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