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Americans: Amerika, nackt

In Amerika laufen die Menschen meistens nackt herum. Zu diesem Schluss könnte man beim Besuch der Ausstellung "Americans" (Kurator: Peter Weiermair) kommen. Bei Bruce Davidsons dokumentarischen Fotografien aus Harlem: Eine nackte Frau mit Kind auf einem Bett. Bei Burk Uzzle (von ihm stammt übrigens die wohl berühmteste Woodstock-Fotografie, die sich dann auch auf dem Plattencover der Live-Aufnahme des Festivals fand): Hippies, die im Fluss baden, unkrautbekränzt in der Wiese herumsitzen oder an höchstwahrscheinlich mit bewusstseinserweiternden Substanzen versetzten Rauchwaren ziehen. Bei Diane Arbus: Herr und Frau Otto Normalverbraucher im Nudistencamp. Bei Peter Hujar: Wunderschöne Jünglinge mit prächtigem Gemächt. Bei Larry Clark: Fixende Jugendliche auf zerwühlten Betten. Bei Rosalind Solomon: Die Hutverkäuferin Jane aus New Orleans, auf dem Fahrersitz eines Autos, von Taschen und Säcken umgeben. Bei Ryan McGinley: eine surreal erscheinende Menschenformation in einem Baum. Und schließlich, bei Ed Templeton: eine Frau, die Staub saugt, so selbstverständlich ohne Kleidung, als würde es so etwas gar nicht geben. Die Ausstellung "über Amerika, seine gesellschaftlichen Probleme, seine Außenseiter, seine Konflikte und Prozesse in einem halben Jahrhundert" (Weiermair) versammelt die Besten der amerikanischen Fotografie: Hier finden sich auch Robert Franks melancholisch angehauchte Landschaften und Endlos-Straßen, Helen Levitts bezaubernde Kinder und Jugendliche auf den Straßen eines kleinstädtisch erscheinenden New Yorks, Lee Friedlanders ausgeklügelte Wohnzimmer- und Schaufenster-Kompositionen oder Gordon Parks Fotoreportagen über Gang-Schlägereien. Ein florierendes Magazinwesen sowie die FSA-Fotografie initiierten diese Tradition der US-amerikanischen sozialkritischen Fotografie. Die Fotografie einer Dorothea Lange oder eines Walker Evans vermisst man jedoch in dieser durchaus sehenswerten Schau - "die Absicht", so Weiermair, "war es nicht, eine Geschichte sozialdokumentarischer Fotografie zu schreiben". Trotzdem passiert genau das. Und die permanente Entblößung, die lässt sich vielleicht auch als Symptom deuten.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Americans
03.11.2006 - 04.02.2007

Kunsthalle Wien Museumsquartier
1070 Wien, Museumsplatz 1
Tel: +43 1 521 89-0
Email: office@kunsthallewien.at
http://www.kunsthallewien.at
Öffnungszeiten: Di-So 10-19, Do 11-21 h


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