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Johanna & Helmut Kandl - Kämpfer, Träumer & Co: Vuitton-Fake am Canal Grande

Vor einigen Jahren war in der Berliner Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst eine Ausstellung zu sehen, deren Exponate sich vor allem mit informellen ökonomischen Strukturen in Städten auseinandersetzten - eine der TeilnehmerInnen, Margareth Otti, zeigte etwa ein Video über den "Arizona-Markt" im Nordosten Bosnien-Herzegowinas. Wunderbar zu dieser sehenswerten Schau hätten Johanna Kandls Gemälde gepasst: Da breiten Frauen am Naschmarkt Kleidung zwischen Autos aus, verchecken Männer Vuitton-Fakes am Canal Grande, bieten ältere Damen Tischtücher bei Eminönü in Istanbul feil. Kandls Bilder erschließen sich von selbst - und zwar ohne Waschzettel. Die Kombination von klugscheißerischen Sprüchen aus der Wirtschaft mit den Bildern von Brachen an der Peripherie oder Barackensiedlungen - oder eben von Abgesängen auf den Kapitalismus mit idyllischen Seenlandschaften. Noch dazu verweist das Künstlerpaar im Titel der Ausstellung und auf Luftballons auf ein Moment unerfüllter Sehnsucht ("Kämpfer, Träumer & Co"), das in den gesichtslosen Figuren, die sich oft durch den Alltag schleppen, ihr Äquivalent findet. In der ersten großen Werkschau von Johanna und Helmut Kandl, beruflich wie privat ein Paar, begegnen einem einige alte Bekannte; neben vielen von Johanna Kandls Gemälden etwa das Video, in der das Künstlerpaar die fiktive Identität einer Präsidentin von Jugoslawien konstruiert oder jenes, in dem immer wieder Frauen ein Haus betreten und verlassen ("Haus der Frauen"). Dass auch die EU-Bevölkerung vor ökonomischen und sozialen Umwälzungen wenig geschützt ist, demonstriert ein neues Video, das die beiden im Lentos spielen lassen, ein "Kunstkrimi". Ohne jeglichen Suspense erzählt dieser von einem Kunstdiebstahl, von Veruntreuungen im großen Stil, einer sich in Sicherheit wiegender Mittelklasse-Gesellschaft und einer Putzfrau, die es zur Unternehmerin bringt. So einfach jedoch, wie uns diese Arbeit glauben machen will, ist die Welt nun auch wieder nicht. Dennoch besticht die Ausstellung, in der bisweilen unbekümmert Reales und Fiktives vermischt wird - und in der Depression auf Utopie trifft.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Johanna & Helmut Kandl - Kämpfer, Träumer & Co
29.09.2006 - 14.01.2007

Lentos Kunstmuseum Linz
4020 Linz, Ernst-Koref-Promendade 1
Tel: +43 70 7070 36 00
Email: info@lentos.at
http://www.lentos.at
Öffnungszeiten: täglich außer Mo 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr


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