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Der Name der Rrose

Das Bild ist berauschend. Eine ganze Ladung Rosenblüten rieselt in ein Kellergewölbe, leuchtend rote Rosen, erblüht und von edler Form. So könnte es ausgesehen haben, wenn die Parfumeure des 18. Jahrhunderts sich anschickten, den duftenden Blüten ihre Aromen zu entziehen, um Essenzen zu kreieren, die den von Unrat und ungewaschenen Körpern beleidigten Nasen ihrer Kunden schmeicheln sollten. Hat es aber nicht: Die Rosen, die in der Tom Tykwer / Bernd Eichinger-Adaption des Bestsellers „Das Parfum“ von Patrick Süskind in die Gewölbe des abgetakelten einstigen Modeparfumeurs Guiseppe Baldini fallen, sind die Ergebnisse moderner Züchtungen und haben nichts gemeinsam mit der nur einmal im Jahr blühenden Apothekerrose und ihren alten Verwandten, aus denen auch heute tatsächlich die kostbare Substanz gewonnen wird. So wie gegenüber diesem Detail verhält sich die Verfilmung auch im Ganzen zu ihrer Romanvorlage. Es geht darum, alles auf ein Niveau zu bringen, das auch der einfachst gestrickte Heutige noch versteht, nicht die literarische Erzählung in eine filmische umzusetzen. Was zählt, ist der blendende Effekt und ein gewisser Widererkennungswert der Handlung um einen monströsen Mörder. Das bedeutet: Wir sehen Bilder vom Schmutz in Paris, von Blumen und von schönen jungen Frauen mit langem, vorzugsweise rotem Haar. Was wir fast am häufigsten zu sehen bekommen, ist die Nase der Hauptfigur Jean-Baptiste Grenouille, diese Nase, die so „absolut“ ist, wie man von einem absoluten Gehör spricht. Als ob das beim Zuseher irgend einen synästhetischen Effekt auslösen könnte. Sind die publikumswirksameren modernen Rosen Symbole für die Oberflächlichkeit und das Desinteresse der Filmemacher, so sind die Großaufnahmen der Nase der Beweis für ihre absolute Hilflosigkeit, einen Film aus diesem Buch zu machen. Doch wenigstens eines ist uns erspart geblieben: Als Joseph Vilsmaier 1995 den Robert Schneider-Roman „Schlafes Bruder“ verfilmte, stand er vor dem Dilemma, wie man den Film – es geht bekanntlich um ein musikalisches Genie und um Musik, die niemals aufgeschrieben wurde – vertonen sollte. Wie Vilsmaier das Problem des „chef-doeuvre inconnu“, völlig unbekannter, genialer Musik löste, war enttäuschend. Er ließ eine eigens kreierte Komposition hören, die natürlich niemals den Vorstellungen von Genialität genügen konnte, die der Leser sich davon gemacht hatte. Das kann uns mit einem Duft im Film nicht passieren. Wie das Parfum aus 13 schönen Frauen riecht, die Jean-Baptiste Grenouille tötet, um einen Duft aus purem Pheromon zu kreieren, einen Lockstoff von unvorstellbarer erotischer Macht, dürfen wir also auch weiterhin unserer Phantasie überlassen. Oder in der Logik des postmodernen Romans ausgedrückt: Das Parfum von einst existiert nur noch als Name. Uns bleiben nur die Namen.
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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