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Nix ist fix

Endlich gibt es wieder ein Modewort. Prekariat heißt es. "Der Spiegel" platziert es seitenlang, dem Editorial von "art" gereicht es zur zeitgeistigen Zierde, "brand eins" erklärt es ausführlich, für die FAZ ist es ein erwartetes Phänomen und auch in den heimischen Tageszeitungen rauscht es herum. Als steht es auch hier: Prekariat. Klingt recht intellektuell, heißt aber nichts anderes als nix ist fix. Für die Künstler ist die Daseinsunsicherheit ja ganz normal. Schon seit Jahrhunderten. Selbst die Bauern haben im schlimmsten Fall ihre Kammervertretung, die für sie immer Geld lukrieren wird, wenn’s hagelt, murt oder dürrt. Aber die Künstler haben nur sich selbst oder bestenfalls eine Galerie, die sich um ihren Lebensunterhalt kümmern sollte, aber oft nicht kann. Und jetzt haben die Arbeitnehmer nur mehr Arbeitgeber die Zeit- statt Fixverträge anbieten. Da hätten ja alle Neuverunsicherten gleich Künstler werden können. Die haben nämlich jetzt einen Vorteil. Die wissen schon generationslange was es heißt, verunsichert zu sein, prekär zu leben und zu arbeiten - und trotzdem das beste draus zu machen. Ohne dass Titelgeschichten über sie geschrieben werden, ohne dass sich Gewerkschafter sorgenvoll ihre Stirnfalten zerfurchen, ohne dass das soziale Gewissen der Politiker belästigt wird. Das Prekäre am Prekariat ist die täglich größer werdende neue negative Elite der Gesellschaft, für die normal arbeiten sicher arbeiten bedeutet. Der in Unsicherheit lebende Künstler wurde medial nie belästigt. Weder mit Bewunderung noch mit Mitleid über eine nicht vorhandene Voll- und Dauerbeschäftigung. Der Künstler war immer schon Prekariat. Ein buntvögelig elitäres Prekariat zwar, aber immerhin. Das brachte zumindest anerkennendes Geraune der ehemals nicht prekär Betroffenen und Dank ihnen manchmal auch das Brot samt Butter drauf. Aber wer soll jetzt die über Jahrhunderte mühsam errungene und verkraftete prekäre Situation der Künstler lindern, wenn die ehemaligen Linderer selbst zu prekären Fällen wurden. Es wird noch richtig prekär werden, wenn das Wort Prekariat nicht bald aus dem medialen Wortgewäsch verschwindet.
Mehr Texte von Manfred M. Lang

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