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Finaler Rettungsschuss erledigt Australien

Catenaccio, was für ein hässliches Wort! Zwar gibt es keine passende deutsche Entsprechung für diesen Ausdruck, doch jeder, der einmal die gefühlten zehn Verteidiger der italienischen Nationalmannschaft in Aktion gesehen hat, weiß, was gemeint ist. Da fehlt nicht nur den australischen "Socceroos" die passende Brechstange. Entsprechend zäh verläuft die erste Halbzeit des Achtefinales - Rasenschach mit angezogener Handbremse. Das zu einem Gutteil deutsche Publikum macht sich derweil seine eigene Party und skandiert lautstark: "Oh-ne Holland! ... fahrn wir nach Ber-lin!" Soviel zum Thema Völkerverständigung durch Sport. Zu Beginn der zweiten Halbzeit kommt es noch dicker: für eine wenig spektakuläre Grätsche, die Katsche Schwarzenbeck seinerzeit gerade einmal einen Freistoß gekostet hätte, wird der Italiener Marco Materazzi zum Duschen geschickt. Für den offensiven Luca Toni schickt Marcello Lippi daraufhin vier Minuten später Andrea Barzagli auf den Platz - einen Innenverteidiger. Endlich kommt die 74. Minute und mit ihr Francesco Totti für Del Piero. Viel mehr Bewegung bringt das allerdings auch nicht ins Spiel. Die Australier mühen sich redlich, kommen gegen das italienische Verteigungsbollwerk jedoch nicht zum Zug. Die Italiener scheinen hingegen nie wirklich begriffen zu haben, dass es bei Ausscheidungsrunden nicht reicht, zu Null zu spielen. Das hat noch nie funktioniert. Die Squadra Azzurra fuhr diese Taktik schon in den letzten vier Weltturnieren und schied jedesmal aus: beim Elfemeterschießen im Halbfinale 1990 gegen Brasilien, im Finale 1994 gegen Brasilien, im Viertelfinale 1998 gegen Frankreich und 2002 durch die unsägliche Einrichtung des Golden Goal gegen Südkorea. Doch diesmal geschieht das Wunder. In der letzten Minute der Nachspielzeit legt sich Lucas Neill dem aussichtlos verdribbelten Fabio Grosso im australischen Strafraum passend in den Weg. Francesco Totti wird zum Helden, indem er mit dem finalen Rettungsschuss die unschöne Leistung seiner Mannschaft vergessen macht. Noch wichtiger als der Sieg scheint in Italien jedoch die passende Ausrede für eine Niederlage zu sein. Da hat man heuer vorgesorgt und von langer Hand in der Heimat einen Skandal vorbereitet, dessen unerträglicher psychologischer Druck jede geregelte Arbeit auf dem Platz eigentlich unmöglich machen sollte. Immerhin wird die Angelegenheit noch eine Weile frisch bleiben und im unerwarteten Fall des Ausscheidens Verwendung finden können.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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