Manfred M. Lang,
Lange Nacht, Kirchen Nacht - die Quote stimmt, es ist vollbracht!
Liebe Glossenleserinnen und -leser waren sie dabei? - bei der "langen Nacht der Kirchen"?
Bei diesem Fest, zu dem der Herr Kardinal eingeladen hatte? Es sollte die Besucher nämlich veranlassen, "den Schritt in die Kirchengebäude zu wagen und ihre Herzen zu öffnen, ganz nach dem heurigen Motto: `Bleib doch über Nacht und lass dein Herz guter Dinge sein`"
Aber die Kirchenorganisatoren haben sich mit ihrer Nacht geirrt- er war auch die erste Nacht der Fußball-WM - also musste der Herr Kardinal noch einen weisen Spruch hinterher schicken: "Sport hat viel mit dem Leben der Menschen zu tun. Warum soll man das nicht gerade in jener Nacht thematisieren, in der die Fußball WM eröffnet wird???
Das klang sofort drohend. Hatten sich die Organisatoren vielleicht gar nicht geirrt und einfach nur versucht rattenfängerisch die Besucherzahlen aufzumöbeln?
Jedenfalls wurden in einigen Wiener Kirchen große Leinwände aufgestellt in dieser "langen Nacht der Kirchen". Denn es war sichtlich nicht genug, dass der Herr Kardinal mit Peter Turrini diskutierte, dass das Duo Hodina fröhliche Wiener Lieder sang, Kirchenrestauratoren Kindern ihre Arbeitswerkzeuge zeigten und die Besucher "biblische Genüsse und musikalische Experimente" erwarteten - neinnein es wurden eben auch noch diese Großleinwände aufgestellt. Zum Fußballschauen.
Damit wurden einige Kirchen zu Möchtegernstadien degradiert. Genauso wie Kaufhäuser, Wirtshäuser und andere Häuser. Also wurden die Kirchen im Interesse der Quoten einfach ein bisserl profaniert. Und man drückte auch noch beide christlichen Augerln zu, wenn durchaus weltlich gejubelt und geflucht wurde und einige Zuschauer vielleicht glücklich grölten "Schiri wir wissen wo dein Auto steht ..."
Ich wünsche dem Herrn Kardinal jedenfalls vom ganzen offenen Herzen, dass die anwesenden Fußballfans zumindest die Aura der Heiligen Stätten gespürt haben und in Zukunft auch aus anderen Gründen den Fuß über die Kirchenschwelle setzen - z.B. zu einem fußballlosen Gebet.
Aber um zwischenjährlich neue kirchliche Besucherrekorde melden zu können, sollte man vielleicht die Leinwände gleich stehen lassen. Fußball gibt?s schließlich jeden Mittwoch. Und wenn man im Winter einheizt und beim Eingang eine klitzekleine Bierausschank aufstellt - wer weiß, ob da nicht mehr Schäfchen kommen als zu einer normalen Abendmesse.
All das ist leider nicht lustig. Wenn eine selbsternannte moralisch-ethische höchste Instanz auf den Quotenstrich geht, ist das einfach nur traurig.
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