Werbung
,

Why Pictures Now: Die Apotheose des Streichholzbriefchens

Soll der Titel einer Ausstellung nur Neugier wecken oder darf man von ihm auch erwarten, dass er etwas Essentielles aussagt? Noch dazu, wenn er einer der ausgestellten Arbeiten entlehnt ist, die damit paradigmatisch ins Zentrum der Wahrnehmung rückt? In Wien laufen (bzw. liefen bis vor kurzem) zwei Ausstellungen mit ebensolchen Titeln und jeweils einer Auswahl an (vorwiegend) Film, Fotografie und Video. "Heute keine Evidenzproblem" im Fotomuseum Westlicht ist schon vorüber, ist aber auch das Negativbeispiel. Der Titel nach der ausgestellten Leuchtstoffröhreninstallation von Raoul Schmidt war in mutmaßlich reißerischer Absicht gewählt. Er klingt schön diskursiv, der Diskurs fand aber nicht statt, außer vielleicht in den Köpfen der Besucher, die damit allein gelassen wurden, sich einen Reim darauf zu machen. Anders ist das im Mumok, einem deklarierteren Ort des Diskurses. Der Titel der bisher größten Schau im grauen Haus im Museumsquartier, "Why Pictures Now", entstammt einer Arbeit von Louise Lawler aus dem Jahr 1981 und ist nahezu phantastisch gut gewählt. Das Werk besteht aus einer kleinen, gerahmten Schwarzweißfotografie und zeigt den Titelschriftzug als Aufdruck auf einem Streichholzbriefchen in einem gläsernen Aschenbecher. Bezogen auf die Situation der frühen Achtziger mit der Rückkehr zum Bild stellt Lawler damit den Status des Bildlichen auf mehreren Ebenen zur Diskussion, was selbst unter den veränderten Voraussetzungen der 2000er immer noch Gültigkeit hat. Das ist es aber auch, worum es in der Ausstellung des Mumok geht. Was dort zu sehen ist, wurde erst kürzlich angekauft. Ein ganz neuer Sammlungsbereich wurde angelegt und mit bisher etwa 400 Neuerwerbungen bestückt, von denen etwa die Hälfte in der Schau zu sehen ist. In Fortsetzung der bestehenden Sammlung performativer und konzeptueller Kunst wurden Fotoarbeiten, Filme und Videos aus den Siebzigern bis heute erworben, die aktuelle Themen behandeln: die Rolle der Institutionen, Globalisierung, Identität, Milieus, Strategien der Darstellung von Geschichte, der Inszenierung und Mediatisierung u.a. - es sind Bilder und sie werfen Fragen auf, nicht zuletzt solche nach den Bedingtheiten ihrer Bildlichkeit. Why Pictures Now? Die Mumok-Schau gibt darauf zur Antwort: Weil es Bilder braucht, um von den historisch-gesellschaftlichen Bedingungen der Wahrnehmung und des Gebrauchs von Kunstwerken zu erzählen.
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Why Pictures Now
09.06 - 01.10.2006

mumok - Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien
1070 Wien, Museumsquartier, Museumsplatz 1
Tel: +43 1 52 500, Fax: +43 1 52 500 13 00
Email: info@mumok.at
http://www.mumok.at
Öffnungszeiten: Täglich: 10.00–18.00 Uhr, Do: 10.00–21.00 Uhr


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: