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Tania Bruguera - Portraits: Ergriffenheit und Repression

Um den poject space-Pavillon der Kunsthalle Wien herum patrouillieren Angestellte eines privaten Sicherheitsunternehmens mit riesigen Hunden. Jetzt also auch schon hier, denkt man. Aber zu voreilig: Die Beobachtungen der Blauuniformierten sind Teil einer künstlerischen Arbeit. Die aus Kuba stammende Künstlerin Tania Bruguera hat sie engagiert und ihre Ausstellung damit in den öffentlichen Raum verlängert. Im Inneren des Pavillons hängen achtzehn Lautsprecher, paarweise in Kopfhöhe montiert, in jeweils einem Meter Abstand zur Wand. So entstehen neun, sich über die gesamte Länge des Innenraums erstreckende Hörstationen. Stellt man sich zwischen zwei Boxen, nimmt das im ganzen Ausstellungsraum unwillkürlich vernehmbare Klatschen rhythmische Formen an. Die Klanginstallation "Portraits" porträtiert eigentlich niemanden. Die zu hörenden Klatschgeräusche sind die in Partituren übertragenen und dann von einem professionellen Chor geklatschten Reden berühmter politischer Persönlichkeiten. So wird die per se entindividualisierte Masse auch noch entmächtigt, ihrer einzigen Möglichkeit für Ablehnung oder Zustimmung beraubt. Es geht also nicht um die neun von Bruguera ausgewählten Leute oder ihre konkreten Worte, sondern um ein Machtverhältnis. Die Herstellung emotionaler Ergriffenheit erweist sich hier als eine der zentralen Strategien von Herrschaft. Eine andere markiert die Sicherheitsdienst-Performance ("Der Schlaf der Vernunft") mit der Erzeugung von Angst. Verzichtet Bruguera im ersten Fall komplett auf Bilder, setzt sie im zweiten ganz auf Sichtbarkeit. Als müssten wir das Ungeheuerliche, dass der Schlaf der Vernunft (nach Goya) gebiert, sehen, um Angst davor haben zu können. Insofern ist das Zitat von Michel Foucault zur Verknüpfung von Diskurs und Macht, das der Ausstellung vorangestellt ist, irreführend: Denn nach Foucault sind es gerade nicht mangelnde Wachheit der Vernunft oder offensichtliche Repression, die Herrschaft so effektiv machen. Auch wenn es schwer fällt, die bedrohlichen Köter als kleine Portion "Sicherheitsdispositiv" zu denken.
Mehr Texte von Jens Kastner

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Tania Bruguera - Portraits
05.04 - 28.05.2006

Kunsthalle Wien Karlsplatz
1040 Wien, Karlsplatz/Treitlstraße 2
Tel: +43 1 52189-0
Email: office@kunsthallewien.at
http://www.kunsthallewien.at
Öffnungszeiten: Di-So 11-19, Do 11-21 h


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