Werbung
,

T.J. Wilcox - Garlands: Umkopierte Poesie

Es rattert und knistert, ab und zu klingelt es irgendwo, der Geräuschpegel ist enorm: Kein Wunder, die Arbeit "Garlands" besteht aus sechs 16mm-Projektoren. Im Kontrast zu diesem Getöse tragen die kurzen Anekdoten, die T.J. Wilcox in seinen Filmen erzählt, eine leise, manchmal melancholische Poesie in sich, wie man sie schon lange nicht mehr gesehen hat. Vielleicht hat das mit der Tatsache zu tun, dass Wilcox das Ausgangsmaterial seiner Filme - Fotos, Ansichtskarten, Zeitungsausschnitte, eigene Filmaufnahmen, Found Footage - zunächst auf Super-8 filmt, dann digital komponiert und zuletzt auf 16mm kopiert. "I always feel like I`m gaining something new with each step in the process" kommentiert Wilcox den so entstehenden Datenverlust, und was er gewinnt, sind nicht nur die üblichen 16mm-Features (Körnigkeit, leuchtende Farben), sondern auch eine eigenartige Distanz - zwischen Betrachtern und Filmen, die in ihrer Kombination wie ein Palimpsest aus längst vergangenenenen Zeiten erscheinen. Dabei spielen sich Wilcox` Geschichten - die Narration verbannte er in die Untertitel - häufig in chronologisch definiertem Rahmen ab: Zum Beispiel jene über die Zarenfamilie Romanov, die von den Bolschewiken in Sibirien gefangen gehalten, per Schießkommando - gemeinsam mit ihrem Hund Ortino - hingerichtet und bestattet, besser gesagt: vergraben wurde. Oder die von der Comtesse Castiglione, die für ihre Schönheit weltberühmt wurde und sich, alt geworden, in ihrer schwarz ausgemalten Wohnung zurückzog. Dazwischen streut Wilcox aber immer wieder ganz kurze Bilder - wie etwa jenes von den japanischen Holzpüppchen, bei denen Überlegungen zu ihrer ursprünglichen Funktion angestellt werden. Wilcox setzt häufig die formalen Mittel von Dokumentarfilmen ein - was lässt sich aber wirklich durch Bilder untermauern? Der Hund Ortino, gefilmt, ist natürlich nicht jener der Zarenfamilie, sondern Wilcox` eigener. Und so verbirgt sich in Wilcox` lyrischen Studien ein kritisches Potenzial, das, in bester Godardscher Tradition, die Glaubwürdigkeit und Manipulationsfähigkeit von Bildern fundamental hinterfragt.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

T.J. Wilcox - Garlands
08.04 - 31.05.2006

Galerie Meyer Kainer
1010 Wien, Eschenbachgasse 9
Tel: +43 1 585 72 77, Fax: + 43 1 585727788
Email: contact@meyerkainer.com
http://www.meyerkainer.com
Öffnungszeiten: Di-Fr 11-18, Sa 11-15h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: