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Europa ohne Grenzen: Demarkationslinien

"Entdecken Sie Europas Freizügigkeit" fordert der Folder zur aktuellen Ausstellung des KHM - und ganz der neuen, geschmackssicheren Werbelinie des KHM entsprechend, räkelt sich darauf die Namensgeberin, barbusig. Freizügig ist vielleicht ihr Dekolleté, Europa ist es noch lange nicht. Mit einem lose chronologisch geordneten Sammelsurium aus eigenen Beständen - Star der Schau ist das eben retournierte Salzfässchen - lassen sich zwar Reisefreudigkeit und wechselseitige Einflüsse in der Kunst über die Jahrhunderte stellenweise ganz gut nachvollziehen; allerdings vor allem für ein informiertes Publikum. So fehlt etwa bei Simon Vouets wunderbarem Gemälde von Martha und Maria Magdalena der Hinweis auf den Caravaggismus, im Zusammenhang mit den Muskelprotzen in Maerten van Heemskercks Bacchanal könnte man den Begriff "Romanist" einwerfen, und auch Joseph Heintz` "Bogenschnitzender Amor" hat seine Nachfolge gefunden - was aber im Saaltext nicht vorkommt. Offensichtlicher ist die Angelegenheit etwa in Dürers nicht anders als wunderschön zu nennender Venezianerin, in Rubens` Isabella d`Este oder Canalettos "Ruine Theben an der March". Auch einige Kuriosa aus Rudolf II. Wunderkammer fehlen nicht. Das Problem ist nicht die häufig eher willkürlich erscheinende Auswahl der Kunstwerke, sondern das großsprecherisch vorgetragene Ansinnen, mit Hilfe einer Habsburger-Sammlung ein "Europa ohne Grenzen" darzustellen. Das erinnert an den Schmäh, mit dem Wolfgang Schüssel den Österreichern die EU-Osterweiterung schmackhaft machen wollte: Schließlich hätte man hier zu Lande sozusagen von Haus aus - Vielvölkerstaat und so - Kompetenzen auf diesem Gebiet. Das "Europa ohne Grenzen", das uns das KHM verkauft, besteht hauptsächlich aus den Niederlanden, Italien, Frankreich, Deutschland, Österreich und ein bisschen Prag. Klar: Die geographischen Grenzen der Sammlung enden eben irgendwo. Aber gerade weil dies - im Großen und Ganzen - innerhalb Europas geschieht, lässt sich eine derartige Ausstellung aus einer solchen Sammlung schlicht und einfach nicht rekrutieren. Und unbeabsichtigt werden Demarkationslinien erst recht sichtbar.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Europa ohne Grenzen
16.03 - 05.06.2006

Kunsthistorisches Museum
1010 Wien, Burgring 5
Tel: +43 1 525 24 0
Email: info@khm.at
http://www.khm.at
Öffnungszeiten: Di-So 9.00-18.00


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